Prof. Dr. Gottfried Schiemann
Rn 1
Der Auflage widmet das BGB nur die wenigen Vorschriften §§ 2192–2196 sowie die allg Begriffsbestimmung in § 1940. Ihre praktische Bedeutung ist erheblich größer, als diese geringe Regelungsdichte vermuten lässt. Insb ermöglicht die Auflage eine weit reichende Flexibilität der Gestaltung, was beispielhaft in folgenden Fällen deutlich wird:
Rn 2
Verfügt der Erblasser zugunsten eines Vereins oder einer anderen juristischen Person und beschwert den Bedachten mit einem bestimmten Stiftungszweck, ist er hierbei an die sonst im Erbrecht geltenden zeitlichen Grenzen (zB §§ 2162f für das Vermächtnis) nicht gebunden, muss aber nicht den immer noch umständlichen und aufwendigen Weg der Gründung einer rechtsfähigen Stiftung einschlagen. Sichert der Erblasser (was zu empfehlen ist) die Erfüllung der Auflage durch die Bestimmung eines besonderen Vollzugsberechtigten (vgl § 2194), kann die Verjährung des Vollzugsanspruchs nach § 197 I Nr 2 dadurch vermieden werden, dass der Erblasser auf Dauer wiederholte Leistungen für den Stiftungszweck festlegt und jeweils einzeln fällig stellt (zu all diesem insb NK/Kroiß vor §§ 2192 ff Rz 21 f; zum Bereicherungsanspruch wegen § 2196 nach Verjährung des Vollzugsanspruchs Frankf FamRZ 13, 1165). Auch kann eine Zweckbestimmung der geschilderten Art recht allg gefasst und die Konkretisierung gem § 2193 Dritten überlassen werden. Auf diesem Wege kann die Unwirksamkeit von Zuwendungen aufgrund des § 14 I, V HeimG vermieden werden (Bay-ObLG NJW 00, 1959 [BayObLG 22.02.2000 - 1 Z BR 147/99]).
Rn 3
Da die Auflage im Gegensatz zum Vermächtnis dem Begünstigten keinen Anspruch verschafft und daher dessen Rechtsfähigkeit nicht erfordert, können durch sie die Haustiere des Erblassers über dessen Tod hinaus versorgt werden. In ähnlicher Weise kann eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung wie ein (noch) nicht rechtsfähiger Verein oder der private ›Club‹ oder der Musikkreis oder die Fakultät einer Universität bedacht werden. Wird nicht eine Person oder Institution mit der Auflage beschwert, die zB nach ihrer ideellen Ausrichtung selbst ein hinlängliches Interesse am Vollzug der Auflage hat (wie der Tierschutzverein an der Versorgung der Haustiere), ist zur Sicherung der Anordnung eine Testamentsvollstreckung sinnvoll, die sich nach § 2208 hierauf beschränken kann.
Rn 4
Eine wichtige Funktion erfüllt die Auflage bei der Sicherung der Unternehmensnachfolge, wenn der Erblasser für die Leitung des Unternehmens oder die Verwaltung des Anteils als persönlich haftenden Gesellschafter einen Testamentsvollstrecker oder eine andere Vertrauensperson als Bevollmächtigten einsetzen will. Die hierfür erforderliche Vollmacht der Erben (vgl Vor § 2197 Rn 4) kann nur über eine Auflage erreicht werden. Hier wie in anderen Fällen ist die Verbindung mit einer auflösenden Bedingung zu erwägen, um die Erfüllung der Auflage wenigstens indirekt erzwingen zu können. Gleichsam die umgekehrte Konstruktion lässt sich für eine Vollmacht über den Tod hinaus – auch außerhalb von Unternehmensproblemen, zB zur Vollendung von Schenkungen – in Gestalt eines Widerrufsverbots einsetzen. Ferner kann Gegenstand einer Auflage an die Erben sein, das Unternehmen des Erblassers zB in eine bestimmte Gesellschaftsform zu überführen (vgl BGH NJW-RR 09, 1455 [BGH 24.06.2009 - IV ZR 202/07]).
Rn 5
Allerdings ist die Auflage kein ›Allheilmittel‹ zur Erreichung sonst erbrechtlich nicht umsetzbarer Ziele des Erblassers. So muss auch die Auflage den Rahmen der §§ 134, 138 wahren und darf dem Beschwerten nicht ein Verhalten auferlegen, über das er von Rechts wegen allein zu entscheiden hat (zB Eheschließungs- und Ehevertragsfreiheit). Ferner stößt die Auflage an praktische Grenzen, wenn mit ihr etwa – was häufig sinnvoll ist – persönlichkeitsrechtliche Vorstellungen und Wünsche des Erblassers (Trauerfeier, Bestattungsart, Organspende uä) verwirklicht werden sollen: Entscheidungen darüber müssen längst getroffen worden sein, wenn das Testament eröffnet wird (NK/Kroiß vor §§ 2192 ff Rz 9). Auch von dem Versuch, erbschaftssteuerliche Vorteile bei einem gemeinschaftlichen Testament durch ›Freibetragsauflagen‹ ggü den Abkömmlingen zu erlangen, ist eher abzuraten (aaO Rz 25).