Prof. Dr. Martin Avenarius
Gesetzestext
1Zur Niederschrift eines Notars wird ein Testament errichtet, indem der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt oder ihm eine Schrift mit der Erklärung übergibt, dass die Schrift seinen letzten Willen enthalte. 2Der Erblasser kann die Schrift offen oder verschlossen übergeben; sie braucht nicht von ihm geschrieben zu sein.
A. Allgemeines.
Rn 1
Das öffentliche Testament wird grds nur noch bei einem Notar errichtet (§ 2231 Nr 1; § 20 BNotO); Sonderfälle bilden das Konsulartestament (s.o. Vor §§ 2229 ff Rn 2) und das Bürgermeistertestament (§ 2249). Die Gültigkeit wird nicht dadurch berührt, dass der Notar außerhalb seines Amtsbezirks beurkundet hat (§ 11 III BNotO; § 2 BeurkG).
B. Tatbestand.
I. Erklärung ggü dem Notar.
Rn 2
Das öffentliche Testament kann durch Erklärung ggü dem Notar zur Niederschrift errichtet werden. Die Erklärung muss nicht auf Deutsch abgegeben werden; es genügt, dass der Notar die verwendete Sprache versteht. Auch eine mündliche Abgabe der Erklärung ist seit dem 1.8.02 nicht mehr erforderlich (OLGVertrÄndG v 23.7.02, BGBl I 2850, 4410); für das Dreizeugentestament vgl allerdings § 2250. Es genügt jede Äußerung des letzten Willens, also auch jede nonverbale Verständigungsmöglichkeit mit einer testierfähigen Person. Behinderte können also – ebenso wie Nichtbehinderte – Erklärungen durch schlüssige Gebärden, Zeichen oder nicht allg verständliche Laute abgeben und sich insoweit geeigneter Kommunikationshilfen wie etwa eines Gebärdendolmetschers bedienen. Ein sprachbehinderter und schreibunfähiger Erblasser kann seine Erklärungen also auch durch Gebärden als Antwort auf Fragen des Notars abgeben. Erforderlich ist jedenfalls, dass der letzte Wille mit der erforderlichen Bestimmtheit zum Ausdruck kommt.
II. Übergabe einer Schrift.
Rn 3
Möglich ist auch die Errichtung durch Übergabe einer Schrift. Dies setzt voraus, dass die Schrift mit Willen des Erblassers in die Hände des Notars gelangt. Der Erblasser muss dabei erklären, dass sie seinen letzten Willen enthalte. Die Schrift kann offen oder geschlossen übergeben werden (2), beim minderjährigen Testator allerdings nur offen (§ 2233 I). Der Erblasser muss die Schrift weder selbst verfasst noch niedergeschrieben haben. So kann es sich zB um einen vom Notar vorbereiteten Entwurf handeln (vgl RGZ 150, 191; KG DNotZ 60, 487f [KG Berlin 23.05.1960 - 1 W 545/60]). Die Form der übergebenen Schrift ist gleichgültig; möglich ist also Maschinen- oder Handschrift, Blindenschrift oder Kurzschrift. Der Text kann auch in einer Fremdsprache oder in fremden Schriftzeichen abgefasst sein. Datum, Ortsangabe und Unterschrift sind nicht erforderlich. Kenntnis des Erblassers vom Inhalt der Schrift wird überwiegend nicht vorausgesetzt (Soergel/Klingseis Rz 19; vgl RGZ 76, 94), ist jedoch richtigerweise zu verlangen (vgl Staud/Baumann Rz 47), weil andernfalls kaum von einer Erklärung des letzten Willens gesprochen werden kann. Bei der offen übergebenen Schrift soll der Notar vom Inhalt Kenntnis nehmen, wenn er die verwendete Sprache hinreichend versteht (§ 30 4 BeurkG). In diesem Fall umfasst die Prüfungs- und Belehrungspflicht (§ 17 BeurkG) auch den Inhalt der Schrift.
III. Verfahren.
1. Allgemeines.
Rn 4
Die Testamentserrichtung besteht stets aus der vom Notar zu führenden Verhandlung, der Niederschrift, ihrer Verlesung, dem Genehmigen und Unterschreiben durch den Erblasser sowie dem Abschluss durch Unterschrift des Notars und sonst mitwirkender Personen. Der Notar hat Identität und Testierfähigkeit des Erblassers zu prüfen (§§ 10, 11, 28 BeurkG), dessen wahren Willen zu erforschen, den Sachverhalt zu klären, über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren und die Erklärungen des Erblassers eindeutig wiederzugeben (§ 17 BeurkG). Wenn die Unterschrift des Testators nicht die handschriftlichen Aufzeichnungen des Notars abdeckt, sondern als Blankounterschrift geleistet und erst später mit der Reinschrift verbunden wird, ist das Testament formungültig (Hamm FamRZ 01, 383, dazu Grziwotz MDR 02, 558f). Formungültigkeit (§ 125) liegt auch vor, wenn die eingesetzte Person in der Niederschrift nicht wenigstens andeutungsweise genannt oder sonst zu bestimmen ist (BGHZ 80, 251). Ein Versagen des Notars hilft über den Formmangel nicht hinweg (BGH NJW 81, 1901).
Rn 5
Spezielle Regelungen für Verfügungen von Todes wegen enthalten §§ 27–35 BeurkG. Absolute Ausschließungsgründe bestehen nach §§ 6, 7 u 27 BeurkG. Danach ist eine Beurkundung ganz oder teilweise unwirksam, wenn an ihr der Notar, sein Ehegatte, Lebenspartner (§ 1 LPartG) oder bestimmte Angehörige beteiligt sind oder die Verfügung von Todes wegen ihnen einen rechtlichen Vorteil verschafft. Mitwirkungsverbote ergeben sich für den Notar aus den relativen Ausschließungsgründen in § 3 BeurkG. Bei Verstoß ist die Verfügung aber wirksam, sofern nicht gleichzeitig §§ 6 oder 7 BeurkG eingreifen. Die nachträgliche Bestimmung des Notars zum Testamentsvollstrecker durch eigenhändiges Testament ist aber möglich (BGH NJW 22, 1450 [BGH 23.02.2022 - IV ZB 24/21]). Verschließung sowie die besondere amtliche Verwahrung regeln § 34 BeurkG und ...