Prof. Dr. Martin Avenarius
Gesetzestext
(1) Wer sich an einem Ort aufhält, der infolge außerordentlicher Umstände dergestalt abgesperrt ist, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar nicht möglich oder erheblich erschwert ist, kann das Testament in der durch § 2249 bestimmten Form oder durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.
(2) Wer sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Testaments nach § 2249 nicht mehr möglich ist, kann das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten.
(3) 1Wird das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet, so muss hierüber eine Niederschrift aufgenommen werden. 2Auf die Zeugen sind die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, der §§ 7, 26 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 und des § 27 des Beurkundungsgesetzes; auf die Niederschrift sind die Vorschriften der §§ 8 bis 10, 11 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 13 Abs. 1, 3 Satz 1, §§ 23, 28 des Beurkundungsgesetzes sowie die Vorschriften des § 2249 Abs. 1 Satz 5, 6, Abs. 2, 6 entsprechend anzuwenden. 3Die Niederschrift kann außer in der deutschen auch in einer anderen Sprache aufgenommen werden. 4Der Erblasser und die Zeugen müssen der Sprache der Niederschrift hinreichend kundig sein; dies soll in der Niederschrift festgestellt werden, wenn sie in einer anderen als der deutschen Sprache aufgenommen wird.
A. Allgemeines.
Rn 1
Das Dreizeugentestament setzt eine der genannten Notlagen voraus. Es kann nur durch mündliche Erklärung errichtet werden und hat beschränkte Gültigkeitsdauer (§ 2252). Auch ein gemeinschaftliches Nottestament ist möglich (§ 2266). Im Falle der Absperrung (I) kann wahlweise vor dem Bürgermeister (§ 2249) oder vor drei Zeugen testiert werden. Die Formbestimmungen sind eng auszulegen (KG ZEV 22, 662; Brandbg ZEV 23, 162 [OLG Brandenburg 04.10.2022 - 3 W 109/22]; krit Ludyga ZEV 23, 129).
B. Tatbestand.
I. Absperrung oder Todesgefahr.
Rn 2
Die Absperrung muss auf außergewöhnliche Umstände (zB Flut- oder Schneekatastrophe) zurückgehen. Auch rechtliche Hindernisse, zB Kontaktverbot oder Quarantäne bei Pandemie, kommen in Betracht (Krätzschel ZEV 20, 268; Kroiß ErbR 20, 458). Ist der Erblasser durch ein lediglich psychisches Hindernis an der Errichtung eines eigenhändigen Testaments gehindert, ist I nicht anwendbar (vgl KG Rpfleger 68, 392). II setzt nahe Todesgefahr (KG FGPrax 22, 217; Hamm FGPrax 17, 131) voraus, ohne dass es auf den Grund derselben oder den Ort ankäme, an dem sich der Erblasser befindet (vgl BayObLGZ 90, 297). Sie kann gegeben sein, wenn der Erblasser tatsächlich zwei Tage später verstirbt (LG München I FamRZ 00, 855). Der Gefahr nahenden Todes steht die des Eintritts dauernder Testierunfähigkeit gleich (BGHZ 3, 377).
Rn 3
Wenn die Voraussetzungen des Nottestaments bei Testamentserrichtung objektiv vorliegen, kommt es auf die Einschätzung der Lage durch die Zeugen nicht an (BGHZ 3, 380; LG Freiburg ZEV 03, 371 m Anm Dümig). Gingen umgekehrt die Zeugen von der nahen Todesgefahr aus, während diese in Wahrheit nicht bestand, ist das Nottestament ebenso wirksam, sofern die Vorstellung der Zeugen auf konkreten Anhaltspunkten beruhte (München ZEV 09, 468). Ob der Testator selbst von der Gefahr überzeugt war, ist unerheblich (BGHZ 3, 378).
II. Zeugen.
Rn 4
Die Zeugen übernehmen die Beurkundungsfunktion, da eine amtliche Urkundsperson fehlt. Sie müssen während der Erklärung des Erblassers, des Verlesens der Niederschrift sowie ihrer Genehmigung und Unterzeichnung durch den Erblasser anwesend sein; nur während der Anfertigung der Niederschrift ist dies nicht erforderlich. Pandemiebedingte Kontaktbeschränkungen befreien nicht vom Erfordernis gleichzeitiger Anwesenheit (Ddorf ZEV 22, 151). Wenn auch nur einer der Zeugen bei einem dieser Teilakte fehlt, ist das Nottestament unheilbar nichtig (BGHZ 54, 93). Gleiches gilt im Fall eines anderweitigen Verstoßes gegen die zwingenden Erfordernisse des Errichtungsakts. Jeder Zeuge muss von Anfang an zur Mitwirkung bereit sein (BGH FamRZ 71, 162; KG ErbR 16, 389).
Rn 5
Als Zeugen ausgeschlossen sind gem III 2 iVm § 6 I Nr 1–2a BeurkG der Testator selbst sowie sein Ehegatte bzw Lebenspartner; diese können allerdings mittestieren (§ 2266). Ausgeschlossen sind ferner die Verwandten des Testators in gerader Linie (§ 6 I Nr 3 BeurkG). Untereinander dürfen die Zeugen aber verwandt oder verschwägert sein. Die Mitwirkung eines durch § 6 I Nr 1–3 BeurkG ausgeschlossenen Zeugen führt zur Unwirksamkeit der Beurkundung. Wirken allerdings außer dem ausgeschlossenen Zeugen noch drei rechtlich geeignete mit, ist seine Beteiligung unschädlich (BGHZ 115, 176). Minderjährige, Geisteskranke und -schwache, Gehörlose, Stumme, Blinde und Schreibunfähige sollen nicht als Zeugen herangezogen werden (§ 26 II Nr 2–5 BeurkG); die Mitwirkung eines geistesschwachen Zeugen bewirkt jedoch keine Unwirksamkeit (Hamm OLGZ 92, 32).
Rn 6
Wird in dem Testament dem Ehegatten oder einem nahen Angehörigen iSv § 7 Nr 3 BeurkG eines Zeugen ein rechtlicher Vorteil verschafft oder wird er selbst bedacht oder als Testamentsvollstrecker ernannt, so bewirkt di...