Rn 83
Ärzte: Neben seinen allgemeinen (va Aufklärungs-)Pflichten, die zumeist unter § 823 fallen werden (§ 823 Rn 211 ff), können den Arzt auch Pflichten zur Wahrung der Vermögensinteressen des Patienten treffen, so zB, wenn Zweifel hinsichtlich der Eintrittspflicht des Versicherers bestehen (BGH NJW 83, 2630 [BGH 01.02.1983 - VI ZR 104/81]); allerdings muss sich dem Arzt die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung aufdrängen (Köln NJW 87, 2304; Hamm NJW-RR 91, 1141; Bremen, NJW 92, 2366 [OLG Bremen 04.02.1992 - 3 U 117/91]; Ddorf NJW-RR 00, 906). Der Arzt unterliegt einer Schweigeverpflichtung (BGH NJW 68, 2288 [BGH 08.10.1968 - VI ZR 168/67]). Zur Beweislast für das Vertretenmüssen s.o. Rn 24–26, § 630h Rn 2 sowie Spickhoff NJW 02, 2530 ff. Im Übrigen wurden die durch die Rspr entwickelten Maßstäbe der Beweislast in § 630h kodifiziert (s § 630h Rn 1). Eigenständige Bedeutung haben die Maßstäbe iRd vertraglichen Haftung noch, soweit sie keine (ausdrückliche) Erwähnung in der gesetzlichen Regelung gefunden haben (BGH NJW 94, 1594, 1595 [BGH 01.02.1994 - VI ZR 65/93] [grobe Organisationsfehler]) oder der Anwendungsbereich der §§ 630a ff nicht eröffnet ist ([BGH NJW 16, 2502 [BGH 10.05.2016 - VI ZR 247/15]]; [Übertragung der Rspr auf Veterinärmedizin]). Zur Person des Haftenden bei Krankenhausbehandlungen s § 278 Rn 22.
Rn 84
Arbeitsverhältnisse: Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers (s hierzu und zu den anderen sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Verpflichtungen des Arbeitgebers § 611 Rn 90 ff, § 242 Rn 73, § 3 AGG Rn 19 ff sowie § 12 AGG Rn 2 ff) umfasst die ordnungsgemäße Einrichtung und Organisation des Arbeitsablaufs; der Arbeitnehmer muss im Falle einer Verletzung lediglich den ordnungswidrigen Zustand der Betriebsräume oder des Arbeitsablaufs beweisen, der Arbeitgeber hingegen hat nachzuweisen, dass ihn an dieser Ordnungswidrigkeit kein Verschulden trifft (BAG AP Nr 1 zu § 618 = BAG BB 56, 692 [BAG 08.06.1955 - 2 AZR 200/54]). Dem Arbeitgeber obliegt keine allgemeine Pflicht, die Vermögensinteressen des Arbeitnehmers wahrzunehmen (BAG NZA-RR 15, 588 [BAG 21.05.2015 - 6 AZR 349/14] Rz 26. Erteilt er aber Auskünfte, müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein (BAG NZA-RR 14, 674 [BAG 31.07.2014 - 6 AZR 993/12] Rz 27; 15, 588 Rz 26). In besonderen Ausnahmefällen können aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung auch Hinweispflichten entstehen (BAG NJOZ 15, 1521 Rz 45; zur Frage, ob eine Hinweispflicht besteht, wenn eine erteilte Auskunft wegen Änderung der Sach- und Rechtslage unrichtig wird, s BAG NZA 20, 860 [BAG 18.02.2020 - 3 AZR 206/18]). Ist der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage, die vom Arbeitgeber nach § 106 1 GewO bestimmte Leistung zu erbringen, kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, von seinem Direktionsrecht erneut und anderweitig Gebrauch zu machen (BAG AP GewO § 106 Nr. 10; BAG AP BGB § 615 Nr. 138). Besteht aber kein ›leidensgerechter Arbeitsplatz‹, auf den ein Arbeitnehmer umgesetzt werden könnte, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einen solchen zu schaffen (BAG NJW 17, 3804 [BAG 28.06.2017 - 5 AZR 263/16] Rz 35). Bei Vertragsverhandlungen ist das Gebot des fairen Verhandelns zu beachten (BAG NZA 19, 688 [BAG 07.02.2019 - 6 AZR 75/18] [Aufhebungsvertrag]). Verletzt der Arbeitnehmer eine sich für ihn aus dem Arbeitsverhältnis ergebende Pflicht (s hierzu § 611 Rn 61 ff), so trifft den Arbeitgeber, der einen Anspruch aus § 280 geltend machen will, die volle Darlegungs- und Beweislast (Staud/Otto [2009] § 280 Rz F 38). Im Blick auf § 619a (s § 619a Rn 2) gilt dies abw von § 280 I 2 auch für ein Verschulden des Arbeitnehmers, da der Arbeitgeber das Organisationsrisiko trägt. Eine Beschränkung dieses Grundsatzes auf solche Fallgestaltungen, in denen der Schaden durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht wird, erscheint geboten (so auch Staud/Otto [2009] § 280 Rz F 39). Im Falle der Mankohaftung ergibt sich die Pflichtverletzung des Arbeitnehmers bei alleinigem Zugriff auf den Kassenbestand daraus, dass er den Fehlbetrag und damit den Vermögensschaden des Arbeitgebers hat entstehen lassen (BAG AP Nr 1 zu § 611). Ansonsten gilt für die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers das soeben gesagte (Staud/Otto [2009] § 280 Rz F 39).
Rn 85
Architekten: Auch die Pflichten des Architekten bestimmen sich nach dem mit seinem Auftraggeber abgeschlossenen Vertrag (BGHZ 133, 399; BGH NJW 99, 427). Insbes muss er eine vereinbarte Baukostenobergrenze einhalten (BGH NJW 17, 386). Der Architekt muss die für die Durchführung seiner Aufgabe erforderliche Fachkenntnis haben (BGH NJW-RR 03, 1454 [BGH 10.07.2003 - VII ZR 329/02]). Hat er diese (in Teilbereichen) nicht, dann muss er Fachleute hinzuziehen bzw den Auftraggeber in Kenntnis setzen und ihm ggü auf die Einschaltung von Fachleuten hinwirken (BGH NJW 01, 1276 [BGH 14.02.2001 - VII ZR 176/99]). Als Sachwalter seines Auftraggebers (Grüneberg/Sprau § 631 Rz 19) ist er diesem ggü zur umfassenden Information, Betreuung und Beratung...