Rn 24
§ 280 I 2 ordnet die Beweislast für das Vertretenmüssen dem pflichtverletzenden Schuldner zu; die Pflichtverletzung als solche hat jedoch grds der Gläubiger zu beweisen (BGH NJW-RR 11, 1476 [BGH 01.07.2011 - V ZR 154/10] Rz 31; Canaris JZ 01, 499, 512; Kohler ZZP 05, 25–46; zum alten Schuldrecht BGH NJW 78, 584 [BGH 11.10.1977 - VI ZR 110/75] [Arzthaftung]; Hambg NJW-RR 92, 207, 208 [OLG Hamburg 04.11.1991 - 4 U 24/91] [Kündigung eines Mietvertrages aus wichtigem Grund bei Pflichtverletzungen im Gefahrenbereich des Mieters]); Stoll AcP 176 [1976] 145–166). Diese Verteilung gilt auch für Pflichtverletzungen durch Unterlassen (s BGH NJW-RR 90, 1423 [BGH 19.06.1990 - VI ZR 197/89]; BGH NJW 93, 1139, 1140) sowie bei unentgeltlichen Leistungen und Gefälligkeiten (Zieglmeier JuS 07, 701, 704); sie gilt nicht für den Nachweis der Arglist bei § 123 (BGH NJW 08, 2912) wohl aber des Vorsatzes bei § 280 (BGH NJW 09, 2298 [BGH 12.05.2009 - XI ZR 586/07] Rz 17; BKR 19, 51 [BGH 05.06.2018 - XI ZR 388/16]). Bei typischen Geschehensabläufen kann dem Gläubiger der Beweis des ersten Anscheins offen stehen (BGH NJW 06, 2262 [BGH 05.04.2006 - VIII ZR 283/05] [verneint für Fremdkörper im Grillteller und Abbrechen eines Zahns]). Schließt die verletzte Pflicht die Erreichung eines bestimmten Erfolges ein, kommt es prima vista zu einem Konflikt mit der Beweislastverteilung bei § 362 f (s § 362 Rn 17; vgl BGH WM 06, 1288). Er ist richtigerweise dadurch zu lösen, dass Letztere nur auf den Erfüllungsanspruch Anwendung findet. In einigen Bereichen führt die Neuregelung zur Haftungsverschärfung, insbes wo die zuvor hA von der Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen durch die Neuregelung überspielt wird. Das gilt insbes für die Arzthaftung (dazu noch unten Rn 83), wo wichtige Teile des Kernbereichs ärztlichen Handelns zuvor der Beweislastumkehr entzogen waren, während hinsichtlich anderer Verantwortungsfelder – etwa Gerätschaften, Medikamenten und Blutkonserven – von einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Vertretenmüssens ausgegangen wurde (s zu den Einzelheiten etwa BGH NJW 81, 2002, 2004; 91, 1540, 1541; BGHZ 114, 284, 296 ff). Allerdings sind die Pflichten des Arztes überwiegend verhaltensbezogen, so dass für die Beweislastumkehr nur ein geringer Anwendungsbereich verbleibt (Zieglmeier JuS 07, 701, 703f). Soweit Pflichten des Arztes – etwa betreffend die sachgerechte Organisation und Koordination des Behandlungsgeschehens – hingegen erfolgsbezogen sind, greift die Beweislast nach § 280 I 2 voll ein (BGH NJW 07, 1682f [BGH 20.03.2007 - VI ZR 158/06]). Die Anwendbarkeit von § 280 I 2 ist durch § 630h unberührt geblieben (s BTDrs 17/10488 S 28; § 630h Rn 2). Für das Arbeitsverhältnis s § 619a Rn 3 sowie Rn 84.
Rn 25
Für das Vertretenmüssen sind die bislang hA einer Beweislastverteilung nach Gefahrenbereichen (s BGHZ 8, 239, 241; 126, 124; BGH NJW 00, 2812) sowie die bereits früher vorzugswürdige Differenzierung nach Erfolgs- und Verhaltenspflichten nicht überholt, wobei freilich Erstere heute nur noch als Kriterium der Pflichtenqualifikation dienen kann (optimistischer Zieglmeier JuS 07, 701, 703 [Abgrenzung zw Pflichtverletzung und Fahrlässigkeit]). Muss der Schuldner einen bestimmten Erfolg erreichen, kann er den Entlastungsbeweis hinsichtlich der Fahrlässigkeit nur führen, wenn er zeigt, dass dessen Erreichung ein Hindernis entgegensteht, dessen Überwindung ihm unter Anwendung der von ihm nach § 276 II zu erwartenden Sorgfalt nicht möglich war (hierin liegt der heute noch gültige Kern von BGHZ 59, 303, 309; BGHZ 66, 349, 351, BGH NJW 80, 2186, 2187 [jeweils ›Kausalität der zu vertretenden Umstände für die Pflichtverletzung‹]). Diesen Beweis muss der Gläubiger nur deshalb nicht führen, weil das Hindernis die Pflicht nicht erlöschen lässt, es also nicht um eine Frage des Vorliegens der Pflichtverletzung geht. Ohne ein solches Hindernis liegt ohnehin Vorsatz vor; der entscheidende Unterschied zur Haftungsentlastung wegen force majeure (s § 276 Rn 35) liegt in der Möglichkeit der Berufung auf Hindernisse aus der Sphäre des Schuldners, also insbes auf fehlende eigene Verschuldensfähigkeit (s § 276 Rn 24). Praktisch bedeutet dieser Standard eine Garantiehaftung für die in bestimmten Berufskreisen zu erwartenden Fähigkeiten und Anstrengungen.
Rn 26
Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden hat gleichfalls der Gläubiger nachzuweisen (OLGR München 06, 443), dem allerdings vielfach ein Beweis des ersten Anscheins helfen wird (s BGH NJW 78, 2197 [BGH 31.05.1978 - VIII ZR 263/76]; abw Naumburg 29.12.05, 2 W 14/05, nv [Beschädigung des verwahrten Gegenstands]). Es genügt freilich der Nachweis, dass nur Ursachen aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners für den Schaden in Frage kommen (s BGH NJW 80, 2187 [BGH 16.05.1980 - V ZR 91/79]). Ausgangspunkt ist jeweils die sog natürliche Kausalität (›conditio sine qua non‹), die jedoch auch bei § 280 der normativen Korrektur bedarf (s § 823 Rn 7), etwa einschränkend durch Schutzz...