Prof. Dr. Thomas Pfeiffer
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Forderungen sind gleichartig, wenn Sie auf Leistungen gerichtet sind, die derselben Gattung angehören. Anspruchsgrund und Rechtsnatur des Anspruchs sind gleichgültig, ebenso grds die Leistungsmodalitäten. Auch auf die Gleichwertigkeit kommt es nicht an; eine Insolvenzforderung und eine Masseforderung können gleichartig sein (BGHZ 100, 222; 201, 121). Danach sind gleichartig: Zahlungsansprüche des Privatrechts und des Öffentlichen Rechts (BGHZ 5, 352; WM 65, 346) unabhängig von der Verfahrensart (streitige oder freiwillige Gerichtsbarkeit, BGHZ 78, 57; Nürnbg OLGZ 80, 46), der sachlichen Zuständigkeit (BGHZ 40, 338; NJW-RR 89, 173; FamRZ 96, 1067) und vom Rechtsweg, wobei im letztgenannten Fall eine Aussetzung geboten sein kann (BGHZ 16, 124; BB 59, 424); ein Zahlungsanspruch und ein auf Herausgabe von Geld gerichteter Anspruch (BGHZ 71, 380, 382; NJW 93, 2041). Brutto- und Nettobeträge sind zwar, soweit auf Geld gerichtet, gleichartig; allerdings kann der Arbeitnehmer nur Nettozahlung verlangen, so dass eine Aufrechnung mit Entgeltansprüchen voraussetzt, dass die Höhe der Abzüge bekannt ist (BAG 22.3.00, 4 AZR 120/99; 19.2.04, 6 AZR 664/02). Dem ist der BGH – im Hinblick auf die Kapitalertragssteuer – bei Ansprüchen auf Rückzahlung nach Widerruf eines Verbraucherdarlehens nicht gefolgt (BGH NJW 17, 2102 [BGH 25.04.2017 - XI ZR 108/16]). Ebenso kommt es nicht auf die äußere Einkleidung des Anspruchs an, wenn beide Ansprüche auf einen gleichartigen Gegenstand gerichtet sind. Demgemäß sind auch ein Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung eines hinterlegten Betrages und ein Zahlungsanspruch gleichartig (BGH NJW-RR 89, 173 [BGH 19.10.1988 - IVb ZR 70/87]). Hingegen soll es zwischen einem Zahlungsanspruch einer Bank und dem Anspruch auf Gutschrift eines eingegangenen Betrags auf dem Kundenkonto (§§ 675t) an der Gleichartigkeit zwar fehlen, so dass erst mit der Kontogutschrift einer Überweisung Gleichartigkeit vorliege. Doch reicht es für die Aufrechnung aus, wenn der Auszahlungsanspruch aus der Gutschrift seinen Voraussetzungen nach gegeben ist, was bereits mit Entstehung des Anspruchs auf Gutschrift zu bejahen ist (BGH NJW 78, 699 [BGH 28.11.1977 - II ZR 110/76]), zumal die Forderung des Kunden auch ohne Buchposition bestehen kann. Nicht gleichartig sind: der Zahlungsanspruch des Verkäufers und der Nacherfüllungsanspruch des Käufers (BGH NJW 96, 1056 [BGH 22.12.1995 - V ZR 52/95]); ein Zahlungsanspruch und ein Anspruch auf Rückgabe eines verpfändeten Sparbuchs (KG MDR 11, 842); ein Zahlungsanspruch und ein Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit, weil der Befreiungsschuldner an den Drittgläubiger zahlen muss, womit nach § 270 zusätzliche Risiken und Schwierigkeiten verbunden sein können (BGHZ 25, 1; NJW 83, 2438; MDR 09, 1251); ein Zahlungsanspruch und ein Anspruch auf Duldung der Zwangsvollstreckung; Geldansprüche in verschiedenen Währungen (BGH WM 93, 2011; NJW-RR 22, 802), soweit nicht eine Konvertierung in gleiche Währung zu erfolgen hat (Frankf ZIP 20, 1062); ein Zahlungsanspruch und ein auf Wiederherstellung einer Sache gerichteter Schadensersatzanspruch, solange der Geschädigte keinen Geldbetrag nach § 249 II verlangt (AG Ludwigsburg WuM 22, 606). Hat sich ein Befreiungsanspruch infolge der – zulässigen – Abtretung an den Gläubiger dieser Verbindlichkeit in eine Geldforderung umgewandelt, steht der Aufrechnung mit einer Geldforderung nicht entgegen, dass die beiden Forderungen im Zeitpunkt der Abtretung noch nicht gleichartig waren (BGHZ 12, 136).