Gesetzestext
(1) 1Jede Ver tragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. 2Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) 1Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
1. |
dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt oder wieder entzogen wird, |
2. |
der Mieter die Rechte des Vermieters dadurch in erheblichem Maße verletzt, dass er die Mietsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet oder sie unbefugt einem Dritten überlässt oder |
3. |
der Mieter
a) |
für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder |
b) |
in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. |
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2Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist die Kündigung ausgeschlossen, wenn der Vermieter vorher befriedigt wird. 3Sie wird unwirksam, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt.
(3) 1Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Mietvertrag, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten angemessenen Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. 2Dies gilt nicht, wenn
1. |
eine Frist oder Abmahnung offensichtlich keinen Erfolg verspricht, |
2. |
die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist oder |
3. |
der Mieter mit der Entrichtung der Miete im Sinne des Absatzes 2 Nr. 3 in Verzug ist. |
(4) 1Auf das dem Mieter nach Absatz 2 Nr. 1 zustehende Kündigungsrecht sind die §§ 536b und 536d entsprechend anzuwenden. 2Ist streitig, ob der Vermieter den Gebrauch der Mietsache rechtzeitig gewährt oder die Abhilfe vor Ablauf der hierzu bestimmten Frist bewirkt hat, so trifft ihn die Beweislast.
A. Grundsätzliches; Konkurrenzen.
Rn 1
§ 543 wurde durch das MRRG eingefügt, ist seit 1.9.01 in Kraft. Anknüpfungspunkte sind §§ 542, 544, 553, 554, 554a jeweils aF und § 242. § 543 stellt für das Mietrecht eine Sonderregelung zum außerordentlichen Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen nach § 314 dar. Die § 314 III, IV und § 313 (Wegfall der Geschäftsgrundlage) bleiben mangels entspr Regelung in § 543 unberührt (BGH ZMR 00, 508; s.a. Feldhahn NJW 05, 3381). Anwendbar ist § 543 ab Vertragsschluss, also schon vor der Gebrauchsüberlassung (vgl II Nr 1 Alt 1; KG IMR 14, 19). Die allgemeinen Unmöglichkeits- und Verzugsregelungen gelten gleichrangig neben § 543 (für Unvermögen BGH NJW 83, 446 [BGH 10.11.1982 - VIII ZR 252/81]). Die besonderen Mängelrechte gem §§ 536 ff sind ebenfalls gleichrangig, so dass ein Mangel der Mietsache auch eine fristlose Kündigung begründen kann (BGH NJW-RR 04, 1236 [BGH 26.05.2004 - XII ZR 149/02]). Im Einzelfall kann dieselbe Pflichtverletzung neben § 543 zudem eine ordentliche Kündigung nach § 573 II Nr 1 rechtfertigen, welche hilfsweise erklärt werden darf (zB für Zahlung innerhalb der Schonfrist nach Kündigung wegen Zahlungsverzuges: BGH ZMR 05, 356). Bei Wohnraummiete wird § 543 durch § 569 ergänzt; bei Mietverhältnissen über Grundstücke und andere Räume durch § 578. Eine außerordentliche Teilkündigung im einheitlichen Mietverhältnis ist unzulässig (BGH NJW 12, 224 [BGH 12.10.2011 - VIII ZR 251/10]; s aber den neuen § 648a Abs. 2). Ein Verschulden ist im Unterschied zu § 554a aF nicht mehr erforderlich, bleibt aber ein wichtiges Abwägungskriterium in I 2.
B. Anwendungsbereich; Übergangsregelungen.
Rn 2
Als Teil des allgemeinen Mietrechts ist § 543 auf alle Mietverhältnisse anwendbar, über § 581 II auch auf Pachtverhältnisse (zur Landpacht vgl § 594e). Für vor dem 1.9.01 zugegangene Kündigungen gilt nach Art 229 § 3 Nr 1 EGBGB noch § 554 II Nr 2 aF. Zur Übergangsregelung anlässlich der Änderung des § 543 IV 1 s Art 229 § 5 2 EGBGB.
C. Abweichende Vereinbarungen.
Rn 3
Gem § 569 V ist § 543 nicht zum Nachteil des Wohnraummieters abdingbar (zur Zulässigkeit einer sog ›Rechtzeitigkeitsklausel‹ s Rn 18). Bei Gewerberaum ist § 543 I ebenso für beide Seiten zwingend (vgl BGH NJW 92, 2628; ZMR 08, 274). Änderungen der II–IV sind in den Grenzen der §§ 138, 242 und 305 ff zulässig. Allerdings ist auch bei Gewerberaummiete ein Haftungsausschluss für den Betrieb des Mietgegenstandes in AGB unwirksam, sofern nicht das Sonderkündigungsrecht des Mieters bei baubehördlicher Nutzungsuntersagung ausdrücklich ausgenommen wird (vgl. BGH IMR 08, 81; Brandbg IMR 19, 281). Ein vertragliches Kündigungsrecht für den Fall eines Insolvenzverfahrens bezgl des Mieters ist gem § 119 InsO unwirksam (Hamm NZM 02, 343). Formularmäßige Erleichterungen der in § 543 II Nr 3 n...