Rn 15
Praktisch bedeutsamstes Dienstverhältnis ist das Arbeitsverhältnis. Es ist zwar in seinen Grundlagen in den §§ 611–630 geregelt, wird jedoch durch zahlreiche arbeitsrechtliche Spezialgesetze, meist Arbeitnehmerschutzvorschriften (Rn 38), bestimmt. Daher ist die Abgrenzung vom freien Dienstverhältnis von großer Bedeutung.
1. Abgrenzungskriterien.
a) Im Arbeitsrecht.
Rn 16
Selbstständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl § 84 I 2 HGB). Dies gilt allg für die Abgrenzung von freien Dienstverhältnissen und Arbeitsverhältnissen (BAG NZA 20, 1470 [BAG 17.06.2020 - 7 AZR 398/18]; iE BLDH/Lingemann Kap 9 Rz 1 ff). Die Vertragsfreiheit geht nicht so weit, dass ein Vertragsverhältnis, das aufgrund objektiver Würdigung der Einzelumstände als Arbeitsverhältnis zu beurteilen ist, als freies Dienstverhältnis vereinbart werden kann (BAG NZA 13, 903 [BAG 17.04.2013 - 10 AZR 272/12]). Ist indes ein Arbeitsverhältnis vereinbart, kommt es auf die tatsächliche Ausübung des Weisungsrechtes nicht an (BAG NZA 14, 1293 [BAG 17.09.2014 - 10 AZB 43/14]; 07, 580 [BAG 25.01.2007 - 5 AZB 49/06]).
Rn 17
Wenn sich der Status nicht aufgrund des Vertrages und der tatsächlichen Durchführung einordnen lässt, ist der im Vertrag niedergelegte Wille der Parteien maßgeblich (BAG NZA 20, 1470 [BAG 17.06.2020 - 7 AZR 398/18]; NZA-RR 16, 288). Maßgebliche Kriterien für ein Arbeitsverhältnis sind: Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit (§ 611a I 2; BAG NZA 13, 903) bzw weisungsgebundene fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit aufgrund Vertrages (BAG NZA 21, 552; NJW 13, 1692 [BAG 27.09.2012 - 2 AZR 838/11]). Indizien sind evtl auch Einrichtung eines Arbeitsplatzes für den Dienstverpflichteten (BAG ArbRAktuell 10, 173), überhaupt Eingliederung in eine Betriebsorganisation (BAG NZA 13, 903 [BAG 17.04.2013 - 10 AZR 272/12]; 12, 731 [BAG 15.02.2012 - 10 AZR 301/10]), Pflicht, die Leistung grds persönlich zu erbringen (BAG NZA 21, 552; 02, 787 [BAG 12.12.2001 - 5 AZR 253/00]) und Überwachung des Dienstverpflichteten, soweit dies für ihn mit nachteiligen Konsequenzen verknüpft ist (BAG NZA-RR 07, 424 [BAG 14.03.2007 - 5 AZR 499/06]; NZA 00, 1102 [BAG 19.01.2000 - 5 AZR 644/98]). Gegen ein Arbeitsverhältnis und damit für ein freies Dienstverhältnis spricht: fehlende oder eingeschränkte Weisungsgebundenheit (s.o.); weitere Indizien können sein: freie Entscheidung des Dienstverpflichteten über die Annahme von Aufträgen des Dienstherrn (BAG NZA 92, 835 [BAG 29.01.1992 - 7 ABR 25/91]), Möglichkeit, sich nach eigenem Ermessen von anderen Personen vertreten zu lassen (BAG NZA-RR 16, 288; 11, 112) sowie eigenes Unternehmerrisiko (BSG NZA 91, 907 [BSG 12.12.1990 - 11 RAr 73/90]). Indiz für die Einordnung kann auch die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit sein, wobei allerdings manche Tätigkeiten sowohl abhängig als auch frei erbracht werden können (BAG NZA-RR 16, 288 [BAG 11.08.2015 - 9 AZR 98/14]). Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten wird eher eine Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation angenommen als bei gehobenen Tätigkeiten (BAG NZA 21, 552; 00, 447; DB 97, 2437; BFHE 169, 154; 144, 225).
b) Im Steuerrecht.
Rn 18
Wird steuerrechtlich ein Arbeitsverhältnis angenommen, begründet dies die Pflicht des ArbG zur Abführung von Lohnsteuer (§ 41a I 1 EStG). Die Abgrenzung folgt im Wesentlichen den vorgenannten (Rn 17) Kriterien.
c) Im Sozialversicherungsrecht.
Rn 19
Nicht identisch, aber im Wesentlichen deckungsgleich mit dem Arbeitsverhältnis ist das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis gem § 7 I SGB IV. Es begründet die Pflicht des ArbG zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge (Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung). Im Vordergrund steht, ob der Dienstnehmer ein eigenes Unternehmerrisiko trägt, dem entsprechende unternehmerische Chancen gegenüberstehen (BSG NZS 19, 785 [BSG 04.06.2019 - B 12 R 2/18 R]; 17, 664, 784 [BSG 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R]). Zu Vorstand und Geschäftsführer s Rn 31 f. Die Beteiligten können gem § 7a SGB IV zur Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status eine Statusfeststellung beantragen (Rn 23).
2. Einzelfälle.
Rn 20
Arbeitnehmer: Assessor in Anwaltskanzlei (BAG DB 76, 539), Chefarzt (BAG NJW 61, 2085), Croupier einer Spielbank, der seine Vergütung aus dem Tronc erhält (BAG NZA 09, 1112), Fleischbeschau-Tierarzt, selbst bei Vergütung aus Anteilen an Gebühren (BAG AP Nr 17 zu § 611 – ›Fleischbeschauer-Dienstverhältnis‹), Fußballlizenzspieler (BAG NJW 96, 2388 [BAG 06.12.1995 - 5 AZR 237/94]; NZA 93, 750; Kelber NZA 01, 11 mwN; differenzierend zum Vertragsamateur BAG AP Nr 51 zu § 611) und andere Berufssportler (Hilpert RdA 97, 92), Honorararzt (BSG NZS 19, 785 [BSG 04.06.2019 - B 12 R 2/18 R]), Grafikdesignerin bei einer Rundfunkanstalt (BAG NZA 20, 1537 [BAG 25.08.2020 - 9 AZR 373/19]), Kundenberater (BAG NZA 99, 205 [BAG 06.05.1998 - 5 AZR 247/97]), Lehrkräfte an privaten Schulen (BAG NZA-RR 04, 9 [BAG 09.07.2003 - 5 AZR 595/02]), Lehrkraft, sofern sie aufgrund Lehrauftrags an al...