Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
Rn 13
Eine schuldhafte Pflichtverletzung (zB Aufklärung bei Berufungsrücknahme, BGH WM 13, 1426) des Anwalts kann zu einem Schadensersatzanspruch des Mandanten nach § 280 I führen (zur Haftung nach § 826 bei unzulässigem Einlagengeschäft, BGH NJW-RR 15, 675 [BGH 10.02.2015 - VI ZR 569/13]). Der Zurechnungszusammenhang zwischen einer anwaltlichen Pflichtverletzung und dem bei dem Mandanten eingetretenen Schaden entfällt nicht bereits durch die naheliegende Möglichkeit, den Schaden in einem Rechtsmittelverfahren beseitigen zu können (BGH NJW 19, 2390 [BGH 06.06.2019 - IX ZR 104/18]). Geht es um die Beurteilung der Folgen des hypothetisch richtigen Verhaltens, ist bei Gerichtsentscheidungen maßgebend, was nach damaliger Rechtsauffassung (Gesetz bzw höchstrichterliche Rspr) hätte entschieden werden müssen (BGHZ 72, 328; 133, 110; 145, 256). Später hinzutretende Rechtsirrtümer des Gerichts entlasten den Anwalt idR nicht (BGH NJW 98, 2049). Dem Mandanten ist nur zu ersetzen, was ihm nach materieller Rechtslage zugestanden hätte (BGHZ 145, 256). Gleiches gilt bei gebundenen Entscheidungen im Verwaltungsverfahren. Ein Schaden, der dem Vergütungsanspruch entgegengehalten werden kann, liegt bei der Vereitelung eines Kostenerstattungsanspruchs vor (BGH NJW 04, 2817 [BGH 15.07.2004 - IX ZR 256/03]). Die Regeln zur Beschränkung des Ersatzanspruchs, welche das BAG für den kündigenden Arbeitnehmer aufgestellt hat, sind auf den Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Rechtsvertreter nicht übertragbar (BGH NJW 07, 2043 [BGH 24.05.2007 - III ZR 176/06]). Ein Vorteilsausgleich kommt nur in Betracht, wenn die Interessen nach dem Beratervertrag zu berücksichtigen waren (BGH NJW 15, 1373 [BGH 05.02.2015 - IX ZR 167/13]).
Rn 14
Die Beweislast für Inhalt und Reichweite des Anwaltsauftrags (Kobl MDR 14, 1116), die Pflichtverletzung und Kausalität begründenden Umstände trägt der Mandant (BGHZ 126, 217). Ihm kommen die Grundsätze des Anscheinsbeweises zugute, wenn es darum geht, ob er sich entspr der pflichtgemäß anzuratenden Weise verhalten hat (BGHZ 123, 311; 126, 217; NJW 02, 1117; das gilt auch für einen falsch beratenen Anwalt, BGH NJW 12, 2435); anderes gilt, wenn ein Verhalten nach einem richtigen Vorschlag des Anwalts abgelehnt wird (BGH NJW 07, 2485 [BGH 01.03.2007 - IX ZR 261/03]) oder lediglich Weisungen des Mandanten befolgt werden (Brandbg DStR 21, 2710 [OLG Brandenburg 18.02.2021 - 4 U 129/20], Befolgung selbst, wenn dies zu Nachteilen führt). Kommen für den Mandanten verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich bergen, ist grds kein Raum für einen Anscheinsbeweis (BGH NJW 07, 2046 [BGH 23.11.2006 - IX ZR 21/03]). Eine generelle Beweislastumkehr wird von der Rspr abgelehnt (BGH NJW 15, 3447 [BGH 16.07.2015 - IX ZR 197/14]; NJW 09, 1591). Eine für den Mandanten günstige Beweislastregel aus dem Ausgangssachverhalt ist aber auch im Regressverfahren zu beachten (BGHZ 133, 110; NJW 02, 593).
Rn 15
Mitverschulden des Mandanten (§ 254) kommt im Hinblick auf die rechtliche Behandlung des Mandats grds nicht in Betracht (BGH WM 06, 105). Das gilt regelmäßig auch bei pflichtwidrigem Handeln eines vom Mandanten nachträglich eingeschalteten weiteren Anwalts (BGH NJW 02, 1117 [BGH 29.11.2001 - IX ZR 278/00]). Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch verjährt nach allgemeinen Regeln. Für den Verjährungsbeginn kommt es auf die Kenntnis des Mandanten von der Pflichtverletzung bzw des Schadens an (§ 199; BGHZ 200, 172 grob fahrlässige Unkenntnis). Die Rspr hat Anwälten die Verpflichtung auferlegt, den Mandanten auf den Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung hinzuweisen (BGHZ 94, 380; NJW 03, 822). Die Verletzung der Pflicht führt dazu, den Mandanten so zu stellen, als sei die Verjährung im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch nicht eingetreten (Sekundäranspruch). Die Hinweispflicht besteht nur, solange das Vertragsverhältnis andauert und der Mandant keine anderweitige anwaltliche Beratung im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch in Anspruch genommen hat (BGH NJW 00, 1263 [BGH 09.12.1999 - IX ZR 129/99]; 01, 826 [BGH 14.12.2000 - IX ZR 332/99]). Der Mandant muss sich im Hinblick auf den Verjährungsbeginn die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis eines Rechtsanwalts zurechnen lassen, den er mit der Durchsetzung des Ersatzanspruchs gg einen früheren Berater beauftragt hat (BGH NJW-RR 19, 116 [BGH 25.10.2018 - IX ZR 168/17]).