Gesetzestext
(1) Jeder Gesellschafter ist befugt, einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt. Die Befugnis nach Satz 1 erstreckt sich auch auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten, wenn dieser an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte.
(2) Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche das Klagerecht ausschließt oder dieser Vorschrift zuwider beschränkt, ist unwirksam.
(3) Der klagende Gesellschafter hat die Gesellschaft unverzüglich über die Erhebung der Klage und die Lage des Rechtsstreits zu unterrichten. Ferner hat er das Gericht über die erfolgte Unterrichtung in Kenntnis zu setzen. Das Gericht hat auf eine unverzügliche Unterrichtung der Gesellschaft hinzuwirken.
(4) Soweit über den Anspruch durch rechtskräftiges Urteil entschieden worden ist, wirkt die Entscheidung für und gegen die Gesellschaft.
Rn 1
Die anerkannte Rechtsfigur der actio pro socio wurde durch das MoPeG in § 715b kodifiziert. Die Kodifizierung bildet den bereits zuvor geltenden Rechtszustand ab.
Rn 2
Gem § 715b ist jeder der übrigen Gesellschafter unabhängig von seiner Geschäftsführungsbefugnis (und Vertretungsmacht) berechtigt, die geschuldete Leistung an die Gesellschaft durch Klage im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft geltend zu machen. Darin liegt eine Durchbrechung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzverteilung. Eine Ausn von der Verpflichtung, auf Leistung an die Gesellschaft zu klagen, kommt nur in der Liquidationsphase in Betracht, wenn die Leistung an den klagenden Gesellschafter selbst lediglich eine Vorwegnahme der Auseinandersetzung wäre (BGH WM 71, 723, 725).
Rn 3
Die prozessuale Durchsetzung ist nur von formellen Voraussetzungen abhängig. Hierzu gehört zunächst die Gesellschafterstellung des Klägers, der im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft Klage zu erheben hat. Bei Fehlen dieser Voraussetzung, zB bei nachträglichem Wegfall der Gesellschafterstellung, kann § 265 ZPO Anwendung finden (BGH NJW 60, 964 [BGH 11.02.1960 - II ZR 198/59]; aA Karlsr NJW 95, 1296 [OLG Karlsruhe 09.12.1993 - 11 U 50/91]). Dagegen ist eine Darlegung der Gründe für die Klage keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Nur im Fall treuwidriger Geltendmachung des Anspruchs ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BGH NJW 57, 1358 [BGH 27.06.1957 - II ZR 15/56]). Die Zustimmung der übrigen Gesellschafter zur Klage gem § 715b ist nicht erforderlich. Die Gesellschafterklage führt nicht dazu, dass einer Klage der GbR selbst der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegensteht. Das hat zur Folge, dass eine zunächst erhobene Gesellschafterklage als unzulässig abzuweisen ist, wenn die GbR selbst Klage erhebt. Nach IV wirkt aber die Rechtskraft eines Urteils aus einer Gesellschafterklage gegen die GbR (anders noch BGH NJW 80, 2463; 81, 1097). Weitere – etwa materielle – Voraussetzungen iSe Subsidiarität der Gesellschafterklage bestehen nicht (so schon BGHZ 25, 47, 50), da § 715b das nicht vorsieht.