Rn 161
Bei Massenveranstaltungen sind die Besucher (BGH NJW 90, 905, 906 [BGH 21.11.1989 - VI ZR 236/89]) sowie etwaige betroffene Nachbarn (BGH NJW 80, 223, 224 [BGH 02.10.1979 - VI ZR 245/78]) vor Gefahren zu schützen. Sicherungspflichtig ist in erster Linie der Veranstalter (zu Ausstellungen zB Ddorf NJW-RR 99, 672, 673 [OLG Düsseldorf 06.11.1998 - 22 U 95/98]). Entscheidend für Art und Umfang der Sicherungsmaßnahmen ist va die Art der Veranstaltung und welcher Grad an Sicherheit bei einer solchen Veranstaltung typischerweise erwartet werden kann (s zB zur relativ weitgehenden Haftung des Betreibers einer Eissporthalle bei einer Veranstaltung, die auch ältere Personen anspricht, Stuttg BeckRS 10, 18170; zu Grenzen der Sicherungspflichten bei einem Langstreckenlauf Hamm NJW-RR 21, 413 [OLG Hamm 28.01.2021 - 21 U 68/14]; weiterhin Mergner/Matz NJW 15, 197, 202 f mwN; Unger Die Haftung des Fußballveranstalters bei Zuschauerausschreitungen 15). Teilweise verringerte Sicherheitsanforderungen gelten zB für
Fastnachtsumzüge (Kobl MDR 14, 405; LG Rottweil VersR 74, 917, 918; LG Trier NJW-RR 95, 1364, 1365; 01, 1470 f; LG Ravensburg NJW 97, 402; AG Köln 123 C 254/10; zu Verkehrssicherungspflichten beim Karneval insg Herzog ZfS 12, 603) oder Weihnachtsmärkte (Kobl MDR 09, 806 [OLG Koblenz 24.03.2009 - 5 U 76/09]; Naumbg MDR 12, 219 [OLG Naumburg 17.11.2011 - 2 U 90/11]; s.a. Hamm BeckRS 21, 2531; relativ streng zum Verlegen von Versorgungsleitungen bei einer Kirmes Hamm NJW-RR 15, 860, 861 f sowie – zu Recht – Hamm NJOZ 21, 1042 zum Abdecken eines Kabelschachts durch eine Gummimatte auf einem Jahrmarkt; ebenfalls zu Abdeckmatten bei Großveranstaltungen Hamm VersR 21, 1452, 1453 f; Köln BeckRS 23, 19387), gesteigerte Anforderungen bei sonstigen Veranstaltungen, bei denen mit alkoholisierten Teilnehmern zu rechnen ist (BGH VersR 65, 515; München NJW-RR 95, 1113; VersR 97, 1250 – beide für Techno-Musikveranstaltungen; restriktiver Hamm DAR 14, 460) oder bei denen Massenreaktionen, insb Ausschreitungen, zu befürchten sind (Ddorf VersR 80, 1147, 1148; SpuRt 94, 146, 147: Trennung rivalisierender Fangruppen). Gerade bei Massenveranstaltungen werden die Interessen der Beteiligten sorgfältig gegeneinander abzuwägen sein, etwa in Bezug auf denkbare Ausschreitungen von Fans bei Sportveranstaltungen. Zu berücksichtigen ist hier insb, dass der Aufwand für Sicherungsmaßnahmen stets im Verhältnis zu möglicherweise drohenden Gefahren zu beurteilen ist und daher hohe Kosten für sich genommen – und auch iVm evtl herabgesetzten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer – noch nicht zu einer Verringerung der Sicherungsstandards führen können. Bei Rock-Konzerten können Vorsorgemaßnahmen gegen Hörschäden (BGH NJW 01, 2019, 2020 [BGH 13.03.2001 - VI ZR 142/00]; LG Nürnberg-Fürth NJW-RR 05, 464 [LG Nürnberg 01.12.2004 - 6 O 4537/03]; Grenzen: München NJW 07, 704 f zur Verantwortlichkeit des Discjockeys) sowie Körperschäden durch ›Stage-diving‹ (Hamm VersR 03, 335; aA LG Hechingen NJW-RR 03, 84, 85) zu treffen sein, möglicherweise auch gegen Massenpanik aufgrund beengter räumlicher Gegebenheiten. Bei Tanzveranstaltungen sind Lautsprecher auch gegen unbefugtes Verschieben zu schützen (Hambg NJW-RR 13, 598 [OLG Hamburg 05.09.2012 - 8 U 160/11]; zu weiteren Verkehrspflichten in diesem Zusammenhang Mergner/Matz NJW 15, 197, 202 mwN). Zu evtl geringeren Schallschutzanforderungen bei Theateraufführungen BGH NJW 06, 610 [BGH 08.11.2005 - VI ZR 332/04] Rz 14 ff, zur allg Verkehrssicherungspflicht des Theaterträgers Jena NJW 06, 624, 625 [OLG Jena 06.10.2005 - 4 U 882/05]; Mergner/Matz NJW 15, 197, 203 mwN. Bei Volksfesten ist mit einer gewissen Achtlosigkeit aufgrund der gelockerten Stimmung zu rechnen (BGH VersR 57, 247; 62, 990, 991 [BGH 10.07.1962 - VI ZR 211/61]). Bei Demonstrationen sind Vorkehrungen gegen Gewaltanwendung zu treffen, zB durch Bestellung einer ausreichenden Zahl von Ordnern (Karlsr OLGZ 80, 494, 496; Grenze: BGHZ 89, 383, 393 ff).