Gesetzestext
(1) 1Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.
(2) 1Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. 2Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.
(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
A. Systematik und Anwendungsbereich.
I. Grundlagen.
Rn 1
§ 839 ist die zentrale Norm des Staatshaftungsrechts. Es handelt sich um einen deliktischen Anspruch des Bürgers gegen den Staat, der sich allerdings das Privileg einer milderen Haftung vorbehalten hat, insb die Subsidiaritätsklausel in I 2 (Rn 40), das Spruchrichterprivileg nach II (Rn 46) sowie den Ausschluss des Anspruchs, wenn ein Rechtsmittel versäumt wurde, III (Rn 48). Soweit § 839 anwendbar ist, verdrängt er andere verschuldensabhängige im oder außerhalb des BGB geregelte Deliktsansprüche (BGH MDR 19, 989 [BGH 06.06.2019 - III ZR 124/18]; ausf Soergel/Vinke § 839 Rz 12, 20 ff), soweit nicht ausnahmsweise zugleich eine in Ausübung eines öffentlichen Amtes begangene Amtspflichtverletzung und eine unerlaubte Handlung innerhalb des bürgerlich-rechtlichen Geschäftskreises des öffentlichen Dienstherrn vorliegen (BGH NJW 96, 3208 [BGH 13.06.1996 - III ZR 40/95]). Praktisch relevant wird das zB bei der Halterhaftung nach § 7 StVG (Rn 40). Erfasst werden Schadensersatzansprüche aller Art, also auch Vermögensschäden. Unanwendbar ist § 839 bei Kriegsschäden (BGH MDR 16, 13).
II. Gemeinschaftsrecht.
Rn 2
Nach der Rspr des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften haftet ein Staat bei Verletzungen des Gemeinschaftsrechts durch seine Organe, selbst wenn es sich um Gerichtsentscheidungen handelt (NJW 03, 3539). Der BGH hat dies so umgesetzt, dass Amtshaftungsansprüche nach nationalem Recht und der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch selbstständig nebeneinander stehen (Z 178, S 1). Eine Haftung des Mitgliedstaats kommt dann in Betracht, wenn die verletzte Gemeinschaftsrechtsnorm bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (BGHZ 189, 365). Das bedeutet, dass insb die Voraussetzungen der Drittwirkung vorliegen müssen (Rn 27). Die Haftung für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht ist nicht auf den Bund beschränkt, sondern kann nach den für die nationale Amtshaftung entwickelten Kriterien jeden Hoheitsträger treffen (BGHZ 161, 224). Der Umfang eines gemeinschaftsrechtlichen Anspruchs kann über § 254 oder § 839 III gemindert oder ausgeschlossen sein (BGHZ 156, 294; NVwZ 07, 362). Zur Verjährung BGHZ 181, 199.
B. Weitere zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gegen den Staat.
I. Primäransprüche.
Rn 3
Der primäre Rechtsschutz erfolgt durch die Fachgerichte. Unterlässt es der Geschädigte schuldhaft, Primärrechtsschutz zu erlangen, kann das wegen § 839 III (Rn 48) zum Wegfall des nachrangingen Schadensersatzanspruchs führen; zum Folgenbeseitigungsanspruch und sozialrechtlichen Herstellungsanspruch besteht allerdings Anspruchskonkurrenz (BGHZ 197, 375). Begehrt der Verletzte jedoch reinen Schadensersatz, bleibt nur die Amtshaftung.
II. Sondergesetze und andere rechtliche Konstruktionen.
1. Anspruchsgrundlagen aus Gesetzen.
Rn 4
Bei Zivilklagen gegen den Staat ist neben § 839 auch an andere Gesetze zu denken. So etwa: Wassergesetze: §§ 96 ff WHG (zu § 19 WHG aF: BGHZ 133, 271, BayObLG NVwZ-RR 00, 750) und einige Landeswassergesetze gewähren Ausgleichsansprüche, wenn durch die Einrichtung eines Wasserschutzgebietes oder Maßnahmen des Naturschutzes die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen beschränkt wird (Einzelheiten bei Hötzel AgrarR 95, 43). In Anspruchskonkurrenz stehen Ansprüche aus dem StrEG, den Polizeigesetzen (BGH NJW 96, 3151; ausf: VersR 11, 808) und aus § 2 I 1 HPflG (Rohrleitungen; Rn 147). Zum Verhältnis zum StVG s Rn 14.
2. Öffentlich-rechtliche Verwahrung.
Rn 5
Auf die öffentlich-rechtliche Verwahrung sind die für den privatrechtlichen Verwahrungsvertrag geltenden Regeln der §§ 668 ff anzuwenden. Es wird auf die dortige Kommentierung verwiesen (§ 688 Rn 10). Zuständig sind die Zivilgerichte, § 40 II VwGO (BGH NJW 05, 988 [BGH 03.02.2005 - III ZR 271/04]).
3. Enteignungsgleicher Eingriff.
Rn 6
Es wird unterschieden zwischen dem – rechtswidrigen – enteignungsgleichen und dem – an sich rechtmäßigen – enteignenden Eingriff. Ein Entschädigungsanspruch aus enteignendem Eingriff setzt voraus, dass rechtswidrig in eine durch Art 14 GG geschützte Rechtsposition von hoher Hand unmittelbar eingegriffen und dem Berechtigten dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes Opfer für die Allgemeinheit auferlegt wird (BGHZ 170, 260). Im Gegensatz zur klassischen Enteignung, nämlich einem staatlichen Zugriff auf das...