Rn 62
Für Klagen gegen den Staat sind entweder die Verwaltungs- oder die Zivilgerichte zuständig. Nach den §§ 13 GVG, 40 I 1 VwGO kommt es immer dann, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, darauf an, ob die Streitigkeit nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird, zivilrechtlich oder öffentlich-rechtlich ist (BGH WM 00, 185; BVerwGE 97, 331). Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis ausschl Privatrechtssubjekte beteiligt, so scheidet die Zuordnung des Rechtsstreits zum Öffentlichen Recht grds aus, es sei denn, eine Partei wäre durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes mit öffentlich-rechtlichen Handlungs- oder Entscheidungsbefugnissen ausgestattet und ggü der anderen Partei als beliehenes Unternehmen tätig geworden (BGH aaO).
Rn 63
Probleme bereitet die Konstellation, wenn sich eine juristische Person des Öffentlichen Rechts und eine Privatperson iRe Vertrags ggü stehen, der die Daseinsvorsorge oder das soziale und kulturelle Wohl der Einwohner betrifft. Nach der sog Zwei-Stufen-Theorie des BVerwG handelt es sich bei Streitigkeiten über das ›Ob‹ um eine öffentlich-rechtliche Frage, das ›Wie‹ ist privatrechtlich gestaltet (BVerwG NVwZ 91, 59 [BVerwG 29.05.1990 - BVerwG 7 B 30.90]).
Rn 64
Streiten die Parteien über Fragen der Benutzung einer von der Kommune zur Verfügung gestellten Einrichtung, ist entscheidend, in welcher Art und Weise der Staat dem Bürger entgegentritt. Ist die Benutzung durch Satzung oder Gleichwertiges geregelt, handelt es sich um Öffentliches Recht. Bei einer vertraglich ausgehandelten Vergütung gilt Privatrecht. Verhandeln die Parteien über die Übernehme öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge oder über Fördermittel (Subventionen), handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Zur Zuständigkeit für Schadensersatzklagen wegen Schlechterfüllung eines solchen Vertrages (pVV, § 280) wird auf Rn 8 verwiesen. Bei der Abgrenzung des Vertragsgegenstandes vom Öffentlichen zum privaten Recht ist der Vertragszweck ergänzend heranzuziehen (BVerwG MDR 76, 874 [BVerwG 30.04.1976 - BVerwG VII C 58.74]).
Rn 65
Bei Verletzungen der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ist sowohl eine Klage vor den Verwaltungs- als auch den Zivilgerichten möglich, eine auf § 839 gestützte Klage vor dem Zivilgericht kann wegen § 17 II GVG unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft werden. (iE MüKo/Papier/Shirvanir § 839 Rz 379 ff).
Rn 66
Das ist eine Folge der ›Rechtswegspaltung‹. Aufgespalten wird der primäre und sekundäre Rechtsschutz des Bürgers: Der primäre Rechtsschutz findet gegen die Ausübung öffentlicher Gewalt statt. Der sekundäre Rechtsschutz behandelt evtl Schadensersatzansprüche. Kommt es sodann zum Amtshaftungsprozess, so prüft das Zivilgericht die verwaltungsrechtlichen Vorfragen. Zur Bindungswirkung s Rn 71.
Rn 67
Probleme wirft die Rechtswegspaltung für die Frage auf, ob wegen eines Lebenssachverhalts vor den Verwaltungsgerichten aus öffentlich-rechtlichem Vertrag oder wegen Verletzung beamtenrechtlicher Fürsorgepflichten und vor den Zivilgerichten aus Amtshaftung geklagt werden soll. Prozessual handelt es sich dann nicht um identische Streitgegenstände. Aufgrund des § 17 II GVG müsste das Zivilgericht die Klage unter allen rechtlichen Gesichtspunkten, also auch denen des Verwaltungsrechtsweges prüfen, während es den Verwaltungsgerichten wegen Art 34 3 GG verwehrt ist, Amtshaftungsansprüche zu prüfen. Sehr instruktiv ist die Entscheidung des BVerwG (Beschl v 23.4.21 – 8 AV 1.21). Bei Anspruchskonkurrenz: s Rn 10. Soweit ein Gericht über den bei ihm anhängigen Rechtsstreit mit Rechtskraftwirkung entschieden hat, dürfte das Gericht des anderen Rechtszuges in diesem Punkt gebunden sein.
Rn 68
Für die eigentlichen Amtshaftungsklagen des § 839 sind nach § 40 II VwGO die Zivilgerichte zuständig, dort nach § 71 II Nr 2 GVG ohne Rücksicht auf den Streitwert die Landgerichte. Das gilt auch dann, wenn bei Verkehrsunfällen allein der Halter verklagt wird. § 7 StVG steht nämlich als Anspruchsgrundlage selbstständig neben § 839 (Rn 4). In solchen Fällen ist gleichwohl die – vorrangige – Zuständigkeit des Landgerichts gegeben (differenzierend: Kissel/Mayer GVG, § 71 Rz 10; Schneider NJW 65, 1470 [BGH 11.05.1965 - VI ZR 16/64]). Bei Klagen aus Amtshaftung und Halterhaftung bei einer Dienstfahrt handelt es sich zwar um zwei Anspruchsgrundlagen, jedoch um einen einheitlichen Streitgegenstand. Nach der heute herrschenden prozessrechtlichen Auffassung vom Streitgegenstand im Zivilprozess entscheidet das Gericht über den prozessualen Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den Klageantrag und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Der Klagegrund geht über die Tatsachen, welche die Tatbestandsmerkmale einer Rechtsgrundlage ausfüllen, hinaus; zu ihm sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag...