A. Rechtsgeschäft.
I. Privatautonomie.
Rn 1
Die Regelungen des Rechtsgeschäfts in den §§ 104 bis 185 bilden ein Kraftzentrum des Bürgerlichen Rechts. Vorausgesetzt ist das nicht im BGB definierte, im Kern aus den Art 2 I, 14 I GG (BVerfG NJW 94, 38 [BVerfG 19.10.1993 - 1 BvR 567/89]) als Teil der Handlungsfreiheit abzuleitende Prinzip der Privatautonomie, das als Selbstgestaltung der Rechtsverhältnisse durch den Einzelnen nach seinem Willen verstanden wird (Flume AT II, 1). Ein Rechtsgeschäft ist auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolgs gerichtet, der nach der Rechtsordnung eintritt, weil er gewollt ist (Motive I, 126).
Rn 2
Diese von ihren Funktionsvoraussetzungen abstrahierende rechtsgeschäftliche Freiheit steht in einem vielgestaltigen Spannungsverhältnis zu materiellen Gerechtigkeitsvoraussetzungen (Schiemann Eckpfeiler des Zivilrechts, D3), die etwa durch die Generalklauseln der §§ 138, 242 und die verbraucherschützenden Vorschriften konkretisiert werden. Zur Sicherung durch Begrenzung dieser Freiheit dienen die Wirksamkeitsvoraussetzungen des Rechtsgeschäfts, wie die Geschäftsfähigkeit, §§ 104 ff, Formerfordernisse, §§ 125 ff, Zustimmungen Dritter oder behördliche Akte.
II. Rechtsgeschäft und Willenserklärung.
1. Tatbestand eines Rechtsgeschäfts.
Rn 3
Er erfordert eine Willenserklärung, die allein oder iVm zusätzlichen Willenserklärungen sowie ggf weiteren Elementen eine gewollte Rechtsfolge herbeiführt (BGH NJW 01, 290 [BGH 17.10.2000 - X ZR 97/99]). Die Begriffe Willenserklärung (Rn 16) und Rechtsgeschäft liegen dicht beieinander und werden teilw synonym verwendet. So sprechen die §§ 119, 120, 123 von einer anfechtbaren Willenserklärung und § 142 handelt vom anfechtbaren und angefochtenen Rechtsgeschäft (dazu § 142 Rn 2). Die Termini sind jedoch nicht deckungsgleich. Ein einseitiges Rechtsgeschäft (Rn 9) besteht nur aus einer Willenserklärung, doch bildet nicht jede Willenserklärung ein Rechtsgeschäft, Bsp Vertragsofferte.
2. Rechtsgeschäfte ohne Willenserklärung.
Rn 4
Sie sind ausgeschlossen. Die Lehren vom faktischen Vertrag bzw Verträgen durch sozialtypisches Verhalten (BGHZ 21, 319, 334) sind abzulehnen. Wer eine Leistung in Anspruch nimmt, aber nicht zahlen will, formuliert entweder einen nach dem Grundsatz der protestatio facto contraria unbeachtlichen Vorbehalt oder er bestreitet nicht den Vertragsschluss, sondern nur die Zahlungspflicht. Nach einer tw vertretenen Ansicht sollen die §§ 612, 632 analog anwendbar sein (Medicus/Petersen AT Rz 249f). Zum Schweigen als Willenserklärung Rn 21.
III. Abgrenzung.
Rn 5
Realakte sind Handlungen ohne Mitteilungs- oder Kundgabefunktion (Neuner AT § 28 Rz 13), als rechtmäßige Handlungen, wie beim Besitzerwerb nach § 854 I, oder als unrechtmäßige, wie der unerlaubten Handlung gem § 823. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus dem Gesetz, rechtsgeschäftliche Regeln sind prinzipiell unanwendbar. Eine Betriebskostenabrechnung ist eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen (BGH NJW 14, 2780 [BGH 28.05.2014 - XII ZR 6/13] Tz 27). Für sie kann eine Haftung nach §§ 280 I, 241 II, 311 II begründet sein (BGH NJW 08, 1517 [BGH 12.03.2008 - VIII ZR 253/05]).
Rn 6
Gefälligkeitsverhältnisse bestehen bei Handlungen, die in rechtsgeschäftlicher Gestalt vorgenommen werden könnten, bei denen den Beteiligten aber in concreto ein Rechtsbindungswille fehlt (BGHZ 21, 102, 106), zB Einladung zum Abendessen. Wichtige Indizien zur Bestimmung des Rechtsbindungswillens bilden die soziale Nähe, die Interessenlage der Beteiligten sowie die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung der Angelegenheit (BGHZ 56, 204, 210; 88, 373, 382), aber auch der gesellschaftliche Verkehr (BGH NJW 12, 3366 Tz 14). Eine Haftungsmilderung analog §§ 521, 599, 690 lehnt die Rspr ab, weil auch beim unentgeltlichen Auftrag eine Haftungsmilderung fehlt (BGH NJW 92, 2475 [BGH 09.06.1992 - VI ZR 49/91]); ggf kann ein konkludenter Haftungsausschluss vorliegen (BGH NJW 79, 415 [BGH 13.12.1978 - VIII ZR 266/77]). Demgegenüber ist von einer Haftungsmilderung auszugehen, wenn sie bei Vorliegen eines Rechtsbindungswillens eingreifen würde (Staud/Bork Vorbem zu §§ 145–156 Rz 86).
Rn 7
Als rechtsgeschäftsähnliche Handlung wird eine willentliche Erklärung bezeichnet, bei der die Rechtsfolge eintritt, weil das Gesetz sie anordnet und nicht, weil sie gewollt ist. Die Erklärungen werden vielfach auf Ansprüche oder Rechtsverhältnisse Bezug nehmen und im Bewusstsein der dadurch ausgelösten Rechtsfolgen ausgesprochen werden, doch müssen sie nicht unmittelbar darauf gerichtet sein (BGH NJW 01, 290). Hierzu gehören Willensäußerungen, wie Mahnungen, § 286 I 1, Fristsetzungen, §§ 281 I 1, 323 I 1, Aufforderungen zur Genehmigung, §§ 108 II 1, 177 II 1, Abhilfeverlangen, § 651c, die Anmeldung von Ansprüchen gem § 651g I 1 (BGH NJW 01, 290 [BGH 17.10.2000 - X ZR 97/99]), (Abschlags-)Rechnungen (Stuttg NJW 12, 2360, 2361 [OLG Stuttgart 06.03.2012 - 10 U 102/11]) sowie Wissensmitteilungen, zB nach den §§ 149, 409 I 1. Die Rechtsgeschäftsregeln sind grds analog anwendbar (BGHZ 47, 352, 357), doch kann im Einzelfall eine abweichende Beurteilung geboten sein. § 130 ist regel...