A. Grundlagen.
Rn 1
Die durch Verwandtschaft (§ 1589) begründete Rechtsbeziehung zweier Personen entfaltet zahlreiche rechtliche Wirkungen im Familien-, Erb-, Vermögens- und Sozialrecht, aber auch im Öffentlichen Recht, insb im Staatsangehörigkeits- und Aufenthaltsrecht. Das historische Sprachverständnis einer genetisch bestimmten Generationenfolge spiegelt sich nur tw in der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung wider, weil diese für die Mutter allein an die Geburt (§ 1591) und für den Vater an soziale Tatbestände einer bestehenden Ehe oder einer Anerkennungserklärung (§§ 1592, 1594) angeknüpft wird. Nur im Fall der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft ist die genetische Abstammung maßgeblich (§§ 1592 Nr 3, 1600d I). Der verfassungsrechtliche Schutz des Elternrechts aus Art 6 II 1 GG folgt weitgehend der einfachrechtlichen Ausgestaltung und ist primär auf den Schutz des Kindes ausgerichtet, ohne dass eine sozial-familiäre Verbindung zu dem Kind ausreichend ist (BVerfG FamRZ 13, 521, 524; 03, 816).
Rn 2
Die Zuordnung eines Kindes zu seinen rechtlichen Eltern ist in mehrfacher Weise geschützt. Die Mutterschaft nach § 1591 ist einer Anfechtung vollständig entzogen. Die Rechtswirkungen der Vaterschaft können – von wenigen gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – nach §§ 1600d V, 1594 I erst vom Zeitpunkt ihrer Begründung durch Ehe, wirksamen Anerkennung oder infolge gerichtlicher Feststellung geltend gemacht werden; umgekehrt können sich nach § 1599 I weder das Kind noch der Vater bis zur gerichtlichen Auflösung der rechtlich begründeten Vaterschaft entziehen (sog positive und negative Rechtsausübungssperre). In einem Unterhalts- oder Nachlassverfahren kann die fehlende leibliche Abstammung nicht geltend gemacht werden (Hamm FamRZ 14, 1034). Eine Ausnahme bildet die inzidente Klärung der Vaterschaft beim Scheinvaterregress (§ 1599 Rn 5) oder dem Umgangsrecht des leiblichen Vaters nach § 1686a.
B. Recht auf Kenntnis der Abstammung.
Rn 3
In zahlreichen Entscheidungen hat das BVerfG (FamRZ 07, 441, 444; 89, 255) aus dem allg Persönlichkeitsrecht (Art 2 I iVm Art 1 GG) das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung hergeleitet, ohne dass ein Anspruch auf Verschaffung, sondern nur ein Schutz vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen besteht. Denn für die Individualitätsfindung eines Menschen ist die genealogische Beziehung zu anderen Personen von zentraler Bedeutung (BVerfG FamRZ 16, 866). Demgegenüber wird ein Recht auf Nichtkenntnis der Abstammung überwiegend verneint. Das Recht des Kindes kann mit dem Persönlichkeitsrecht der Mutter oder des potenziellen biologischen Vaters in Konflikt geraten (BVerfG FamRZ 15, 729). Ein Auskunftsanspruch des Kindes folgt iRd aus § 1618a. Ob der Anspruch nur bei ungeklärter Vaterschaft oder auch bei bestehender rechtlicher Vaterschaft besteht, ist streitig (Frankf FamRZ 22, 120). Der BGH hat hingegen aus § 1618a einen Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine leibliche, nicht rechtliche Mutter über die Person des leiblichen Vaters hergeleitet, der als sonstige Familiensache iSv § 266 I Nr 4 FamFG geltend zu machen ist (BGH FamRZ 22, 633). Die Mutter erfüllt den Anspruch nicht dadurch, dass ihr der Name des möglichen Vaters nicht bekannt sei; vielmehr hat sie zumutbare Erkundigungen einzuholen. Auf der Grundlage von § 1666 III wird eine gerichtliche Auflage an die Mutter, das Kind über seine wahre Abstammung zu unterrichten, für zulässig gehalten (Frankf FamRZ 21, 756; zur Aufklärung über die leibliche Abstammung BGH FamRZ 16, 2082; AG Hamburg-Bergedorf FamRZ 23, 440). Bei heterologen Insemination ist ein Auskunftsanspruch über die Person des Samenspenders in § 10 SaRegG geregelt. Dem Recht des Kindes entspricht ein Recht des Mannes auf Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt. Ein Recht der Großeltern auf Kenntnis von Enkelkindern dürfte sich aus § 1618a wohl nicht herleiten lassen.
C. Künstliche Befruchtung.
Rn 4
Die rechtliche Zuordnung eines Kindes zu seinen Eltern im Fall einer ärztlich assistierten Zeugung bzw künstlichen Befruchtung ist im geltenden Recht nur tw für den Fall der Samenspende spezifisch geregelt. Ein Herausgabeanspruch der kryokonservierten Samenzellen nach dem Tod des Keimzellgebers kann dessen Lebensgefährtin gegen die Klinik zustehen (Hambg FamRZ 22, 462; Rostock FamRZ 10, 1117; aA München FamRZ 17, 904; zu unterscheiden sind die künstliche Befruchtung verbunden mit einer (anonymisierten) Samenspende, die Eizellen- bzw Embryonenspende sowie die Leihmutterschaft.
I. Samenspende.
Rn 4a
Im Fall der künstlichen Befruchtung mittels (anonymer) Samenspende gelten die allgemeinen Abstammungsregelungen, die nur durch § 1600 IV sowie § 1600d IV spezielle Regelungen aufweisen sowie das SaRegG. Für die Mutterschaft gilt § 1591. Die rechtliche Vaterschaft wird durch die Ehe mit der Mutter oder Anerkennung begründet (§ 1592 Nr 1 und 2), wobei nur die Eltern diese infolge ihrer Verantwortungsübernahme nicht anfechten können (§ 1600 IV). Der Samenspender kann im Fall der sog offiziellen Samenspende – im Gegensatz zur privaten sog Becherspende – nicht als rechtlicher Vate...