Rn 17
Der VA kann (tw) grob unbillig sein, wenn der Ausgleichspflichtige ein Anrecht vor Durchführung des VA durch sein Verhalten in ungerechtfertigter Weise reduziert oder erlöschen lässt, zB wenn er sich eine private Lebensversicherung hat auszahlen lassen und das ausgezahlte Kapital vor dem güterrechtlichen Stichtag verbraucht hat. Erforderlich ist ein treuwidriges Verhalten des Verpflichteten. Dieses liegt nicht zwangsläufig schon darin, dass ein Anrecht dem VA entzogen worden ist. Wenn die Entziehung aber nicht dadurch kompensiert wird, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte über ein anderes Ausgleichssystem (insb den Zugewinnausgleich) an dem Vermögenswert teilhat, verhält sich der Ausgleichspflichtige treuwidrig, wenn er erwartet, gleichwohl in unverminderter Höhe an den Anrechten des anderen Ehegatten teilzuhaben (BGH FamRZ 15, 998 Rz 22 f; 16, 697 Rz 16; 17, 26 Rz 22f). Treuwidrig ist auch ein Verhalten, mit dem der Ausgleichspflichtige bewusst (zumindest auch) die Entscheidung über den VA beeinflussen will (BGH FamRZ 13, 1362 Rz 8; 17, 26 Rz 24). Diese Voraussetzung ist nicht schon erfüllt, wenn er im begründeten Vertrauen darauf, dass der andere Ehegatte weiter für seinen Unterhalt sorgen werde, keine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (BGH FamRZ 84, 467, 469) oder wenn er berufliche Aufstiegs- oder Beförderungschancen nicht genutzt hat (BGH FamRZ 88, 709, 710). Auch der Verlust eines aus einer Erbschaft stammenden Kapitals aufgrund einer spekulativen Anlage begründet für sich genommen noch keinen Härtefall (Frankf FamRZ 11, 901). Das Gleiche gilt, wenn der Ausgleichspflichtige über Vermögenswerte verfügt hat, um eine Insolvenz abzuwenden (Brandbg FamRZ 11, 902). Dagegen kann die Anwendung der Härteklausel in Betracht kommen, wenn der Ausgleichspflichtige sich Beiträge hat erstatten lassen oder einen Versicherungsvertrag gekündigt (Köln FamRZ 14, 210) oder als Inhaber eines Anrechts auf eine Rente nach Ehezeitende ein Kapitalwahlrecht ausgeübt hat, um die Einbeziehung des Anrechts in den VA zu verhindern (BGH FamRZ 13, 1362 Rz 9; 17, 26 Rz 22; Frankf FamRZ 23, 1361, 1363). Dies gilt erst recht, wenn die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung lebten oder wenn die das Versorgungsanrecht auflösende Person das erhaltene Kapital vor Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags verbraucht hat, sodass es auch nicht im Zugewinnausgleich berücksichtigt werden kann (BGH FamRZ 03, 923, 924; 15, 998 Rz 20), oder wenn eine Berücksichtigung des Anrechts im Zugewinnausgleich aus den durch die §§ 1371 ff BGB vorgegebenen Rechenschritten ausscheidet (Köln FamRZ 16, 2015). Zwar können ein im Zeitpunkt der Entscheidung bereits aufgelöstes Versorgungsanrecht nicht mehr und ein verkürztes Anrecht nicht über seinen Ausgleichswert hinaus in den VA einbezogen werden; das illoyale Verhalten des ausgleichspflichtigen Ehegatten kann jedoch nach § 27 dadurch sanktioniert werden, dass im Gegenzug ein Anrecht des anderen Ehegatten – zumindest im gleichen Ausgleichswert – vom VA ausgeschlossen wird (BGH FamRZ 15, 998 Rz 22; 17, 1914 Rz 24).
Rn 18
Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte seinen Scheidungsantrag erkennbar zu früh (dh vor Ablauf des Trennungsjahres ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 1565 II BGB) gestellt und damit treuwidrig eine Verkürzung der gesetzlichen Ehezeit bewirkt, können Nachteile, die dem anderen Ehegatten dadurch entstehen, im VA ebenfalls über § 27 beseitigt werden. Eine Korrektur der gesetzlichen Ehezeit nach § 3 I kommt dagegen nicht in Betracht, weil dies die Interessen der Versorgungsträger beeinträchtigen könnte (BGH FamRZ 17, 1914 Rz 21 ff).