Gesetzestext
(1) Dem Wertausgleich bei der Scheidung unterfallen alle Anrechte, es sei denn, die Ehegatten haben den Ausgleich nach den §§ 6 bis 8 geregelt oder die Ausgleichsreife der Anrechte nach § 19 fehlt.
(2) Anrechte sind in der Regel nach den §§ 10 bis 13 intern zu teilen.
(3) Ein Anrecht ist nur dann nach den §§ 14 bis 17 extern zu teilen, wenn ein Fall des § 14 Abs. 2 oder des § 16 Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegt.
(4) Ist die Differenz beiderseitiger Ausgleichswerte von Anrechten gleicher Art gering oder haben einzelne Anrechte einen geringen Ausgleichswert, ist § 18 anzuwenden.
A. Allgemeines.
Rn 1
Mit § 9 beginnt der Abschn 2 des Teils 1, der die Durchführung des Wertausgleichs bei der Scheidung regelt. In § 9 sind allgemeine Grundsätze für den Anwendungsbereich des Wertausgleichs und die (rechtsgestaltenden) Entscheidungen über die interne und externe Teilung von Anrechten vorangestellt. Die §§ 11–13 behandeln die interne, die §§ 14–17 die externe Teilung. Die §§ 18 und 19 regeln Ausnahmen vom Wertausgleich bei der Scheidung.
B. Anwendungsbereich des Wertausgleichs bei der Scheidung (Abs 1).
I. Wertausgleich bei der Scheidung.
Rn 2
Der VA ist – soweit möglich – in der Form des Wertausgleichs bei der Scheidung durchzuführen. Der Begriff entspricht dem unter der Geltung des früheren Rechts verbreiteten Begriff des öffentlich-rechtlichen VA. Zwar ist der VA idR bei der Scheidung durchzuführen, und zwar iR einer Verbundentscheidung nach § 137 I FamFG, ohne dass es eines Antrags bedarf (§ 137 II 2 FamFG), also vAw (BTDrs 16/10144, 53). In bestimmten Fällen ist ein (öffentlich-rechtlicher) Wertausgleich aber auch nach Rechtskraft der Scheidung möglich. Dies gilt zum einen bei einer Abtrennung des VA aus dem Verbund gem § 140 II Nr 2 oder 4 FamFG. Zum anderen kommt ein Wertausgleich im Anschluss an eine im Ausland ausgesprochene Scheidung in Betracht, wenn deutsches Scheidungsrecht angewendet worden ist und damit auch deutsches VA-Statut gilt. In diesem Fall ist der Wertausgleich in Deutschland in einem selbständigen Verfahren nachzuholen. Des Weiteren kann ein nachträglicher Wertausgleich durchzuführen sein, wenn die Ehegatten nach ausländischem Recht geschieden worden sind. Ist die Scheidung im Ausland ausgesprochen worden ist, kann anschließend in Deutschland ein Antrag nach Art 17 IV 2 EGBGB auf Ausgleich inländischer Anrechte gestellt werden, über den in einem selbständigen Verfahren zu entscheiden ist. Das Gleiche gilt, wenn die Ehegatten im Inland geschieden worden sind, im Scheidungsverfahren aber kein Antrag nach Art 17 IV 2 EGBGB gestellt worden ist. Denn ein solcher Antrag kann, weil er nicht an eine Frist gebunden ist, auch noch nach Rechtskraft der Scheidung gestellt werden (BGH FamRZ 07, 996 Rz 29; vgl § 1 Rn 6). Eine nachträgliche Durchführung des VA ist nicht einmal dann ausgeschlossen, wenn das Familiengericht im Scheidungsverbund ausgesprochen hat, ein VA finde (mangels Antragstellung nach Art 17 IV 2 EGBGB) nicht statt, denn ein solcher Ausspruch hatte lediglich deklaratorische Bedeutung (Karlsr FamRZ 06, 955).
II. Dem Wertausgleich unterfallende Anrechte.
Rn 3
Der Wertausgleich findet (bei deutschem Scheidungsstatut) grds in allen Fällen statt, in denen die Eheleute in der Ehezeit Versorgungsanrechte iSd § 2 erworben haben. Er scheidet jedoch gem § 9 I ausnw aus,
- soweit die Ehegatten den VA wirksam durch Vereinbarung ausgeschlossen haben (§§ 6–8 VersAusglG) oder
- soweit die ehezeitlich erworbenen Anrechte (iSv § 19) noch nicht ausgleichsreif sind.
Wenn sich eine Vereinbarung nur auf einzelne in den VA fallende Anrechte oder auf Teile auszugleichender Anrechte erstreckt, ist hinsichtlich der weiteren Anrechte oder Teil-Anrechte der Wertausgleich durchzuführen. Fehlt nur einzelnen Anrechten die erforderliche Ausgleichsreife, sind die sonstigen (ausgleichsreifen) Anrechte grds in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen. Handelt es sich bei den nicht ausgleichsreifen Anrechten aber um Anrechte, die bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger erworben worden sind (§ 19 II Nr 4), können gem § 19 III auch an sich ausgleichsreife (inländische) Anrechte vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgeschlossen werden, soweit der isolierte Ausgleich der ausgleichsreifen Anrechte für den anderen Ehegatten unbillig wäre (sog Ausgleichssperre, vgl § 19 Rn 18). Über die in I geregelten Fälle hinaus findet auch in Bezug auf Anrechte aus privater Invaliditätsvorsorge kein Wertausgleich bei der Scheidung statt; sie sind gem § 28 III VersAusglG stets schuldrechtlich auszugleichen. Schließlich kann das Gericht einzelne Anrechte nach § 18 VersAusglG vom VA ausnehmen. Darauf weist IV ausdrücklich hin (s Rn 8). Überhaupt kein VA und damit auch nicht in der Form des Wertausgleichs bei der Scheidung findet statt, wenn die Ehe von kurzer Dauer war und kein Antrag nach § 3 III gestellt worden ist oder soweit das Gericht Anrechte in Anwendung der Härteklausel des § 27 von einem Ausgleich ausschließt.
Rn 4
Wird ein Wertausgleich bei der Scheidung durchgeführt, so erstreckt sich dieser nach der Rspr des BGH zwingend auf sämtliche ausgleichsreifen Anrechte...