Rn 6
Der tatbestandliche Regelungsbereich des § 27 wurde bewusst offen formuliert, um mehr Spielraum zu lassen (BTDrs 16/10144, 67). Die in der bisherigen Rspr im Interesse der Rechtssicherheit entwickelten Fallgruppen von Härtefällen bilden die Grundlage für die Anwendung der Härteklausel. Auf sie braucht allerdings nicht zurückgegriffen zu werden, soweit ein VA schon aus anderen Gründen ausscheidet. Das gilt etwa bei geringen Ausgleichswerten (§ 18), bei einer Vereinbarung der Ehegatten nach § 6 I 2 Nr 2 oder bei einer Ehe von kurzer Dauer (wenn kein Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs gestellt wird, § 3 III). Auch bedarf es keiner Härtefallregelung im Wertausgleich bei der Scheidung, soweit betriebliche Anrechte noch verfallbar sind (§ 19 II Nr 1).
1. Lange Trennungszeit.
Rn 7
Die Inanspruchnahme eines Ehegatten kann (zumindest tw) grob unbillig sein, wenn die Ehegatten vor Ende der Ehezeit lange Zeit getrennt gelebt haben und es daher in einem wesentlichen Teil der Ehe an einer den VA rechtfertigenden Versorgungsgemeinschaft gefehlt hat (BGH FamRZ 80, 29, 36; 16, 35 Rz 22). Allerdings ist in solchen Fällen das Schutzbedürfnis des ausgleichsberechtigten Ehegatten, der auf den Fortbestand der Ehe und damit der Versorgungsgemeinschaft vertrauen durfte, angemessen zu berücksichtigen (BGH FamRZ 81, 130, 132; 06, 769). Va während der Zeit, in der der Ausgleichsberechtigte gemeinsame Kinder betreut, kann dieser darauf vertrauen, weiter an dem Versorgungserwerb des anderen Ehegatten zu partizipieren; deshalb kommt eine Kürzung des VA für diese Zeit regelmäßig nicht in Betracht (BGH FamRZ 05, 2052, 2053; anders jedoch für den Fall, dass das vom Ausgleichsberechtigten betreute, als ehelich geltende Kind unstreitig nicht vom Ausgleichspflichtigen abstammt, BGH FamRZ 08, 1838 Rz 33 ff). Auch wenn der Ausgleichspflichtige über viele Jahre hinweg widerspruchslos Trennungsunterhalt gezahlt hat, ohne vom Ausgleichsberechtigten die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit zu fordern, kann dieser ein schutzwürdiges Vertrauen auf Teilhabe an den vom Ausgleichspflichtigen während des Getrenntlebens erworbenen Versorgungsanwartschaften haben (BGH FamRZ 06, 769, 771; Karlsr FamRZ 21, 22, 24; Zweibr FamRZ 21, 25, 26). Für die Dauer der Trennung lässt sich kein allgemeiner Maßstab anlegen. Von maßgeblicher Bedeutung ist das Verhältnis der Trennungszeit zur Zeit des tatsächlichen Zusammenlebens (BGH FamRZ 07, 1964 Rz 12; 13, 106 Rz 17). Sind außer einer langen Trennungszeit keine weiteren Härtegründe vorhanden, kommt ein vollständiger Ausschluss des VA nicht in Betracht, sondern lediglich die Ausklammerung der auf die Trennungszeit entfallenden Anwartschaften beider Eheleute. Praktisch geschieht dies dadurch, dass die auf die Trennungszeit entfallenden Anrechte gesondert zu ermitteln und von den auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anwartschaften abzuziehen sind. Nicht zulässig ist dagegen eine Vorverlegung des Ehezeitendes (BGH FamRZ 01, 1444, 1446; 06, 769, 771; vgl § 3 Rn 2).
2. Gestaltung der Ehe.
Rn 8
Liegt ein Fall der klassischen Haushaltsführungsehe vor, kommt ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein Ausschluss nicht in Betracht (BVerfG FamRZ 03, 1173). In dem Fall der ›phasenverschobenen Ehe‹ (insb wenn ein Ehegatte in der Ehezeit schon Rente bezog und der andere erst anfing, Altersvorsorge zu betreiben) kann ein Härtefall dann anzunehmen sein, wenn die angemessene Versorgung des Ausgleichsverpflichteten durch den VA gefährdet wäre und er wegen Alters nicht mehr in der Lage ist, eine eigene angemessene Versorgung aufzubauen (BGH FamRZ 07, 1964, Hamm FamRZ 04, 885).
3. Pflichtverletzungen gegen den anderen Ehegatten.
Rn 9
Ein Ausgleich kann auch dann grob unbillig sein, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte die aus der Ehe herrührenden Pflichten grob verletzt hat, insb seiner Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, in erheblichem Umfang nicht nachgekommen ist. Die Pflichtverletzung muss den Ehegatten- oder Kindesunterhalt betreffen und in die Ehezeit fallen; eine nacheheliche Pflichtverletzung bleibt dagegen außer Betracht, weil mit dem Ehezeitende auch die Ausgleichsverpflichtung entfällt (Brandbg FamRZ 15, 930, 931; Bambg FamRZ 15, 932). Als gröblich kann eine Unterhaltspflichtverletzung nur angesehen werden, wenn die geschuldeten Unterhaltsleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erfüllt worden sind und wenn objektive Merkmale vorliegen, die dem pflichtwidrigen Verhalten ein besonderes Gewicht verleihen, zB, wenn eine unterhaltsberechtigte Person dadurch in ernste Schwierigkeiten bei der Beschaffung ihres Lebensbedarfs geraten ist (BGH FamRZ 87, 918, 921). Dass eine Notlage letztlich durch überobligationsmäßigen Einsatz des anderen Ehegatten verhindert oder behoben worden ist, nimmt der Pflichtverletzung nicht das für die Anwendung der Härteklausel erforderliche besondere Gewicht (BGH FamRZ 87, 49, 50). Dies gilt erst recht, wenn die Notlage durch Dritte oder durch Sozialleistungen behoben worden ist. Keine gröbliche Pflichtverletzung liegt dagegen vor, wenn die Nichterfüll...