Rn 16
Bezieht der Ausgleichspflichtige aus einem Anrecht der betrieblichen oder der privaten Altersversorgung, dessen Bezugsgröße ein Kapitalwert ist, bei Ehezeitende bereits Versorgungsleistungen, verringert sich idR der Ausgleichswert des Anrechts zwischen dem Ehezeitende bzw dem Eintritt der ausgleichspflichtigen Person in die Leistungsphase und der Rechtskraft der Entscheidung (sog Wertverzehr, vgl § 5 Rn 11). Das liegt daran, dass die Kapitaldeckung des Anrechts abnimmt oder bei rückstellungsfinanzierten betrieblichen Anrechten der versicherungsmathematische Barwert der Versorgung infolge der alterungsbedingten Änderung der biometrischen Rechnungsgrundlagen absinkt. Bei längerer Verfahrensdauer kann die Verringerung des Ausgleichswerts sogar erheblich ins Gewicht fallen. Nach der Rspr des BGH ist der VA in diesem Fall grds auf Basis des bei der Scheidung noch vorhandenen (Rest-)Kapitalwerts vorzunehmen, wobei der Wert konkret entweder zeitnah zur Entscheidung oder vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft ermittelt werden kann (BGH FamRZ 16, 775 Rz 45 ff.; 19, 190 Rz 9 ff). Die Minderung des Ausgleichswerts geht damit im Ergebnis allein zulasten des Ausgleichsberechtigten, sofern sich die an den Ausgleichspflichtigen ausgezahlten Versorgungsleistungen nicht (etwa über einen Unterhaltsanspruch) auch zugunsten des Ausgleichsberechtigten ausgewirkt haben. Der Ausgleichsberechtigte hat nunmehr gem § 19 II Nr 5 hinsichtlich eines solchen Anrechts die Wahl zwischen einem (öffentlich-rechtlichen) Wertausgleich bei der Scheidung entspr der bisherigen Rechtslage und einem schuldrechtlichen Ausgleich. Damit wird die mangelnde Ausgleichsreife eines Anrechts und damit seine Zuordnung zum schuldrechtlichen VA der Entscheidungsbefugnis des ausgleichsberechtigten Ehegatten überlassen. Das Wahlrecht setzt voraus, dass der Ausgleichspflichtige ein Anrecht der betrAV oder der privaten Altersvorsorge erworben hat, aus dem er bereits Leistungen bezieht. Da die neue Bestimmung – anders als etwa § 2 II Nr 3 und § 45 I 1 – keine Beschränkung auf Anrechte iSd BetrAVG enthält, werden auch betriebliche Anrechte von Personen erfasst, die – wie beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer – eine unternehmerähnliche Stellung haben. Weitere Voraussetzung für die Option des schuldrechtlichen VA ist, dass ein Ausgleichswert zugrunde gelegt werden soll, der (auch) aufgrund des laufenden Leistungsbezugs vom Ausgleichswert bei Ehezeitende abweicht. In manchen Fällen kann sich der Ausgleichswert trotz des Leistungsbezugs nach Ehezeitende auch erhöht haben, zB infolge Verringerung des für die Barwertberechnung maßgeblichen Abzinsungsfaktors. Daraus ist jedoch nicht ohne Weiteres zu folgern, dass der Ausgleichsberechtigte einen höheren Versorgungsanspruch hat. Deshalb ist das Wahlrecht nicht davon abhängig, dass sich der Ausgleichswert der bereits bezogenen Versorgung tatsächlich zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung betragsmäßig verringert hat (BT-Drs 19/26838, 13). Durch eine Ergänzung des § 222 I FamFG ist klargestellt worden, dass das FamG für die Ausübung des Wahlrechts nach II Nr 5 eine Frist setzen kann. Damit soll zum einen das Verfahren gefördert und zum anderen dem Ausgleichsberechtigten verdeutlicht werden, dass ihm ein entspr Wahlrecht zusteht (BTDrs 19/26838, 15).
Rn 17
Will der Ausgleichsberechtigte den schuldrechtlichen Ausgleich wählen, muss er ausdrücklich ›verlangen‹, dass das Anrecht vom Wertausgleich ausgenommen wird. Erforderlich ist daher eine prozessuale Erklärung, die grds bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Scheidungsverfahren abzugeben ist. Die Wahl dürfte aber auch noch in der Beschwerdeinstanz ausgeübt werden können. Für die Erklärung besteht kein Anwaltszwang, wie durch eine Ergänzung des § 114 IV Nr 7 FamFG klargestellt worden ist. Entscheidet sich der Ausgleichsberechtigte für den schuldrechtlichen VA, wird der Ausgleich idR aufgeschoben, bis er die Fälligkeitsvoraussetzungen nach § 20 II erfüllt. Diese Lösung bietet den Vorteil, dass er über die schuldrechtliche Ausgleichsrente nach § 20 an der ungekürzten Versorgung des Ausgleichspflichtigen teilhat. Für diesen entsteht dadurch keine höhere Belastung. Wenn die Fälligkeitsvoraussetzungen nach § 20 II schon während des Scheidungsverfahrens erfüllt sind, kann der schuldrechtliche Ausgleich des Anrechts auch bereits im Scheidungsverbund beantragt und entschieden werden. Macht der Ausgleichsberechtigte von seinem Wahlrecht keinen Gebrauch, hat das Gericht das Anrecht auf der Grundlage der Rspr des BGH in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen (BTDrs 19/26838, 13). Dann erhält er schon bei der Scheidung ein zwar gekürztes, aber eigenständiges Anrecht, dessen weitere Entwicklung vom Ausgleichspflichtigen unabhängig ist.