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Die in Kap 4 geregelten §§ 3238 eröffnen die Möglichkeit, die Rechtsfolgen rechtskräftiger Entscheidungen über den Wertausgleich bei der Scheidung zeitweise oder endgültig zu beseitigen (s.a. BTDrs 16/10144, 71). Sie betreffen zum einen Fallgestaltungen, bei denen der Ausgleichspflichtige durch den Versorgungsausgleich in seiner Versorgungslage spürbar betroffen ist, ohne dass der Ausgleichsberechtigte davon (schon) profitieren kann, zum anderen die Konsequenz, dass der Ausgleichsberechtigte nach rechtskräftiger Durchführung des Versorgungsausgleichs so frühzeitig verstorben ist, dass er aus den ihm im Versorgungsausgleich übertragenen Anrechten keine oder jedenfalls keine wesentlichen Versorgungsleistungen erhalten konnte, während der Ausgleichspflichtige aber gleichwohl eine Kürzung seiner Versorgung hinnehmen musste. Für solche Fallgestaltungen hatte das BVerfG im Jahr 1980 eine besondere Korrekturmöglichkeit gefordert (FamRZ 80, 326, 334). Dem trugen die §§ 410 VAHRG Rechnung. An ihre Stelle sind die §§ 3238 VersAusglG getreten. Sie ermöglichen die Anpassung einer rkr gewordenen Entscheidung in der Weise, dass deren Wirkungen – dh die aufgrund der Entscheidung eingetretene Kürzung der Versorgung des ausgleichspflichtigen Ehegatten – entweder tw oder insg und zeitweilig oder sogar dauerhaft außer Kraft gesetzt werden. Nach heutiger Auffassung des BVerfG (FamRZ 14, 1259 Rz 56) sind diese Korrekturmöglichkeiten zwar möglicherweise weiterhin wünschenswert, aber verfassungsrechtlich nicht mehr geboten. Die Entscheidung bezieht sich allerdings nicht (ausdrücklich) auf das in den §§ 35, 36 geregelte sog Invalidenprivileg. Dieses geht nicht auf eine frühere Forderung des BVerfG zurück. Es ist erst mit dem neuen Recht eingeführt worden und soll Härten vermeiden, die sich aufgrund des neuen Ausgleichssystems für die ausgleichspflichtige Person ergeben können, wenn sie wegen Invalidität oder wegen einer vorgezogenen Altersgrenze frühzeitig in Rente gehen muss. Im Vergleich zum früheren Recht ist den Vorschriften des 4. Kapitels gemein, dass eine Anpassung nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst ab Antragstellung wirkt, was allg verfahrensrechtlichen Prinzipien entspricht und die Versorgungsträger als Sachwalter der Versicherten vor einer aufwendigen Rückabwicklung schützt. Zudem erweist sich nach dem Willen des Gesetzgebers eine Wirkung ab Antragstellung auch deshalb als angemessen, weil die ausgleichspflichtige Person den Zeitpunkt der Antragstellung zu verantworten hat. Sie hat also selbst darauf zu achten, ob Tatbestände eintreten, die eine Anpassung nach Rechtskraft rechtfertigen.

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