A. Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die §§ 249 bis 255 regeln Umfang und Art des zu leistenden Schadensersatzes. Dagegen sagen sie über den Grund von Schadensersatzansprüchen nichts. Solche Vorschriften finden sich über das ganze BGB und seine Nebengesetze verstreut; die wichtigsten im BGB sind die §§ 280 und 823. Erst iVm einer solchen Vorschrift erlangen die §§ 249 ff Bedeutung.

 

Rn 2

Dabei gelten die §§ 249 ff für alle auf Schadensersatz gerichteten Ansprüche, auch für solche außerhalb des Schuldrechts, sogar außerhalb des BGB (etwa BGH NJW 06, 2767, 2768 [BGH 20.07.2006 - IX ZR 94/03] für § 945 ZPO). Doch gibt es einige Sondervorschriften. Sie bringen aber nur vereinzelt wirkliche Abweichungen von den §§ 249 ff, wie zB die §§ 429 ff HGB oder die für die Gefährdungshaftung bestimmten Haftungshöchstbeträge (zB StVG §§ 12 ff). Die §§ 249 ff bilden Vorschriften von höchstem Allgemeinheitsgrad.

B. Abgrenzungen.

I. Die Vertragsstrafe.

 

Rn 3

Die Vertragsstrafe beruht auf einem besonderen Strafversprechen, § 339. Sie ist im Grundsatz unabhängig von der Entstehung eines Schadens beim Gläubiger. Vielmehr soll sie die Vertragserfüllung gerade auch dort erzwingen, wo ein Schaden iSd §§ 249 ff rechtlich zweifelhaft (zB Ausfall der Eigennutzung, vgl § 249 Rn 40 ff) oder schwer zu beweisen (etwa: Bauzeitverzögerung) ist. Nur über § 340 II sind die Vertragsstrafe und ein nachweisbarer Schaden miteinander verbunden.

II. Der pauschalierte Schaden.

 

Rn 4

Wenn ein Schaden schwer zu beziffern ist (wie häufig bei vorzeitiger Kündigung von Verträgen), wird seine Höhe oft vorab pauschal festgelegt (zB auf 10 % des vereinbarten Preises). Hier ist die Abgrenzung zur Vertragsstrafe wichtig, weil nur Schadenspauschalen dem § 309 Nr 5 unterliegen. Andererseits sind Vertragsstrafen durch § 309 Nr 6 in bestimmten Fällen verboten; auch unterliegen sie der richterlichen Herabsetzung nach § 343. Grob gesagt gilt: Je stärker der Betrag sich von dem zu erwartenden Schaden entfernt, umso näher liegt die Annahme einer Vertragsstrafe. Denn sie will weniger den entstandenen Schaden ersetzen, als vielmehr einen Zwang zu pünktlicher Erfüllung ausüben.

C. Beweisfrage.

I. Grundsatz.

 

Rn 5

Die Beweislast für die den Ersatzspruch begründenden Umstände einschließlich des Schadens liegt beim Geschädigten. Ausnahmen iSe Beweislast des Schädigers gelten im Bereich des Schadens nach § 251 II (unverhältnismäßige Höhe der Herstellungskosten), § 252 2 (entgangener Gewinn unter dem zu erwartenden) und va § 254 (mitwirkendes Verschulden). Dazu kommen noch schadensmindernde Umstände, die ohne gesetzliche Grundlage berücksichtigt werden können (Anrechnung von mit dem Schaden verbundenen Vorteilen, s § 249 Rn 80 ff; Reserveursachen, s § 249 Rn 111 ff).

II. Anscheinsbeweis.

 

Rn 6

Gemildert wird die Beweislast für den Geschädigten bei typischen Geschehensabläufen insbes hinsichtlich der Kausalität: Wenn sich unter Berücksichtigung aller unstr oder festgestellten Umstände und besonderen Merkmale des Einzelfalls ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt, kann von diesem ausgegangen werden (etwa BGHZ 143, 268, 281). Das gilt zB bei Auffahrunfällen (BGH VersR 64, 263, vgl Metz NJW 08, 2806): Diese beruhen idR auf einem Verschulden des Auffahrenden. Dagegen gilt der Anscheinsbeweis nicht bei individuellen Verhaltensweisen, weil es hier an einer Typik fehlt (BGHZ 143, 268, 281). BGH NJW 06, 2262, 2263 formuliert: Typizität sei gegeben, ›wenn die Wahrscheinlichkeit, einen solchen (typischen) Fall vor sich zu haben, sehr groß ist‹. Dabei kehrt der Anscheinsbeweis nicht etwa die Beweislast um. Vielmehr ist er schon entkräftet, wenn der Gegner Tatsachen behauptet und beweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines anderen, untypischen Ablaufs ergibt (BGH NJW 91, 230, 231 [BGH 03.07.1990 - VI ZR 239/89]; 98, 79, 81). So scheidet ein Anscheinsbeweis zB aus, wenn bei einem Auffahrunfall auf der Autobahn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist (BGH NJW 12, 608 [BGH 13.12.2011 - VI ZR 177/10]). Wer aber diesen gegen den typischen Ablauf gerichteten Beweis schuldhaft vereitelt, kann sich auf den Anscheinsbeweis nicht berufen (BGH NJW 98, 79, 81 [BGH 17.06.1997 - X ZR 119/94]).

 

Rn 7

Bedeutung hat der Anscheinsbeweis überall, wo es typische Geschehensabläufe gibt, etwa im Straßenverkehr (vgl Metz NJW 08, 2806) und bei der Arzthaftung. Insbes kommt er bei Schutzgesetzen, technischen Normen, Unfallverhütungsvorschriften, Verkehrspflichten oder auch Vertragspflichten in Betracht, die vor bestimmten Gefahren schützen sollen: Verwirklicht sich dann eine solche Gefahr, so wird Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem Verletzungserfolg kraft Anscheinsbeweises angenommen.

 

Rn 8

Doch kann auch umgekehrt aus einem bestimmten Erfolg auf ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden. So darf aus bestimmten typischen Verletzungen das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts gefolgert werden (BGH NJW 91, 230, 231 [BGH 03.07.1990 - VI ZR 239/89]).

III. § 287 I ZPO.

 

Rn 9

Weiter kann dem Geschädigten § 287 I...

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