Dr. Axel Deutscher, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Bei einem sog. allgemeinen Rotlichtverstoß kommt es allein darauf an, dass der Betroffene die Haltelinie der LZA bei Rot passiert hat. |
2. |
Erforderlich sind grds. Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und der vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie Angaben dazu, wie weit der Betroffene noch von der Lichtzeichenanlage entfernt war, als diese von Grün auf Gelb umsprang und ob der Betroffene noch gefahrlos anhalten konnte. |
3. |
Bei der Prüfung der Beweiswürdigung ist darauf zu achten, dass hinsichtlich der Entfernungen Schätzungen durch Polizeibeamte grds. nicht genügen, sondern zuverlässige Messungen erforderlich sind. |
Rdn 3371
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Rotlichtverstoß, Allgemeines, Rdn 3322.
Rdn 3372
1. Um einen sog. allgemeinen Rotlichtverstoß handelt es sich in den Fällen der Nr. 132 BKat, die nur mit einem Bußgeld von 90,00 EUR geahndet werden. Bei diesen Verstößen kommt es allein darauf an, dass der Betroffene die Haltelinie der LZA bei Rot passiert hat (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO), denn Rot ordnet an: "Halt vor der Kreuzung". Die Dauer der Rotlichtzeit ist grds. ohne Bedeutung (zur Bedeutung der Rotlichtzeit → Rotlichtverstoß, Urteil, qualifizierter Verstoß, Rdn 3403). Auch das Überfahren der Haltelinie hat für diesen Rotlichtverstoß keine (eigenständige) Bedeutung (OLG Dresden zfs 2017, 234).
Rdn 3373
2.a) Bei der Verurteilung wegen eines einfachen Rotlichtverstoßes sind grds. folgende Feststellungen zu treffen: Erforderlich sind Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, der zulässigen und der vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie Angaben dazu, wie weit der Betroffene noch von der Lichtzeichenanlage entfernt war, als diese von Grün auf Gelb umsprang und ob der Betroffene noch gefahrlos anhalten konnte (vgl. die Nachweise bei Hentschel/König/Dauer/König, § 37 StVO Rn 44; KG DAR 2005, 634; OLG Brandenburg VRS 107, 57 m.w.N.; OLG Jena NZV 1999, 304; OLG Karlsruhe DAR 2009, 157 = NZV 2009, 201; OLG Köln VM 1984, 83; Krumm NJW 2016, 380 u. DAR 2022, 288, 290). Je nach Fallgestaltung können auch Feststellungen erforderlich sein, die eine sichere Schlussfolgerung auf das für den Betroffenen maßgebliche Lichtzeichen und seine jeweilige Position zur Haltelinie erlauben (KG VRS 111, 145 = DAR 2006, 158, wenn der beobachtende Polizeibeamte das für den Betroffenen geltende Lichtzeichen nicht erkennen konnte).
Rdn 3374
b) Früher verlangte die obergerichtliche Rechtsprechung diese Feststellungen grds. auch beim innerörtlichen Verstoß (vgl. die Nachw. bei Hentschel/König/Dauer/König, § 37 StVO Rn 44). Nachdem der BGH bei Geschwindigkeitsüberschreitungen vom Tatrichter grds. keine detaillierten Feststellungen zur Messmethode (mehr) verlangt (vgl. BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; wegen der Einzelh. → Geschwindigkeitsüberschreitung, Urteil, Standardisierte Messverfahren, Rdn 2273), verzichtet der überwiegende Teil der oberlandesgerichtlichen Rspr. auch bei innerörtliche Rotlichtverstößen hierauf (KG DAR 2016, 214; VRS 128, 142; NZV 2016, 490 [qualifizierter Verstoß]; Beschl. v. 28.12.2018 – 3 Ws (B) 304/18, VRS 135, 98; Beschl. v. 24.7.2019 – 3 Ws (B) 243/19; OLG Bamberg DAR 2014, 277 = VRR 2014, 271 = zfs 2014, 411; OLG Brandenburg VRS 107, 57; OLG Braunschweig DAR 2006, 222 = NZV 2006, 219 = zfs 2006, 229; OLG Bremen NZV 2010, 42; OLG Düsseldorf NZV 1996, 81; VRS 95, 439; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.2.2020 – 1 Ss-OWi 1508/19, zfs 2020, 410; OLG Hamburg DAR 1995, 500; OLG Hamm VRS 85, 464 = NZV 1993, 492; VRS 91, 67; NZV 2002, 577; VA 2008, 50; VA 2011, 34; vgl. aber OLG Karlsruhe DAR 2009, 157 = NZV 2009, 201). Es muss sich aber aus dem Urteil ergeben, dass es sich um einen innörtlichen Verstoß gehandelt hat (u.a. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Frankfurt am Main, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.). Die Rechtsprechung argumentiert damit, dass davon ausgegangen werden könne, dass die nach der VwV zur StVO innerorts zulässige Gelbphase von 3 sec. zwischen dem Ende des Grünlichts und Beginn des Rotlichts bei der i.d.R. zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten worden sei (→ Rotlichtverstoß, Allgemeines, Rdn 3330). Das reiche normalerweise aus, um unter normalen Fahrbahnbedingungen bei Aufleuchten des Gelblichts rechtzeitig vor der Kreuzung anhalten oder aber die Kreuzung bei Gelblicht noch passieren zu können (u.a. KG DAR 2016, 214; OLG Hamm VRS 91, 67; OLG Jena, DAR 2006, 164 = VRS 110, 38). Führt das Urteil aber etwa aus, dass die Lichtzeichenanlage eine "kurze Gelbphase" hat, kann dies für eine abweichende Ampelschaltung sprechen. Dann ist die konkrete Mitteilung der Dauer der Gelbphase unverzichtbar (OLG Jena, a.a.O.).
☆ Auf nicht normale Fahrbahnbedingungen , wie z.B. Schnee, Glätte usw., muss sich der Betroffene einstellen, indem er seine Geschwindigkeit so wählt, dass er während der Gelbphase sein Fahrzeug noch vor der Haltelinie anhalten kann. Auch muss er seinen Abstand zum Vordermann so wählen, dass er eine LZA nicht wegen zu geri...