Rz. 68

Gemäß Art. 1152 ZGB muss ein Erbe die Erbschaft annehmen. Lediglich der russische Staat bedarf zur Annahme der Erbschaft keiner Annahmeerklärung. Die Annahme der Erbschaft stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft dar, so dass die Annahme die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erben voraussetzt. Daher können Minderjährige nur mit Zustimmung oder vertreten durch ihre Eltern eine Erbschaft annehmen. Eine teilweise oder bedingte Annahme der Erbschaft (z.B. nur des Vermögens ohne die Schulden des Erblassers) ist grundsätzlich nicht möglich. Allerdings sieht Art. 1152 Abs. 2 S. 2 ZGB vor, dass dann, wenn ein Erbe aufgrund verschiedener Gründe erbt, er die Erbschaft hinsichtlich einzelner Gründe annehmen oder ausschlagen kann. So kann z.B. ein Erbe, dem testamentarisch ein bestimmter Vermögensgegenstand vererbt wurde, der jedoch gleichzeitig gesetzlicher Erbe bezüglich des nicht durch das Testament abgedeckten Vermögens ist, den testamentarisch vermachten Vermögensgegenstand annehmen und den Erbteil aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausschlagen.

 

Rz. 69

Formell erfolgt die Annahme der Erbschaft grundsätzlich durch einen entsprechenden Antrag, der beim zuständigen Notar eingereicht wird. Sofern der Antrag nicht persönlich durch den Erben beim Notar abgegeben wird, muss die Unterschrift auf dem Antrag notariell beglaubigt werden. Sofern ein Vertreter den Antrag auf Annahme der Erbschaft stellt, benötigt dieser eine Vollmacht, die ausdrücklich zur Annahmeerklärung bevollmächtigt und notariell beglaubigt ist. Wenn die Vollmacht in Deutschland erstellt wurde, muss die Unterschrift ebenfalls notariell beglaubigt, die Vollmacht mit Apostille versehen und notariell beglaubigt übersetzt werden.

 

Rz. 70

Weiterhin gilt eine Erbschaft gem. Art. 1153 Abs. 2 ZGB bis zum Beweis des Gegenteils als angenommen, wenn der Erbe Maßnahmen im Hinblick auf die Erbschaft getroffen hat, die eine Annahme indizieren, z.B. Maßnahmen zur Sicherung des Vermögens, Aufwendungen zur Erhaltung des Vermögens oder Zahlung von Schulden des Erblassers. Für den Erhalt eines Erbscheins, der z.B. für die Umschreibung des Eigentumsrechts an Immobilien im Immobilienregister benötigt wird, ist jedoch ein Antrag beim zuständigen Notar nötig.

 

Rz. 71

Gemäß Art. 1154 Abs. 1 ZGB beträgt die Frist zur Annahme der Erbschaft grundsätzlich sechs Monate ab dem Erbfall. Sofern ein Erbe erst infolge der Ausschlagung der Erbschaft durch einen anderen Erben oder aufgrund der gerichtlichen Feststellung der Erbunwürdigkeit des anderen Erben zum Erben wird, beginnt der Lauf für die Sechsmonatsfrist erst im Zeitpunkt der Ausschlagung des Erbens bzw. der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung. Erben, die erst aufgrund der Nichtannahme der Erbschaft durch andere Erben zum Erben werden, müssen die Erbschaft innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist annehmen.

 

Rz. 72

Im Falle des Fristversäumnisses gibt es gem. Art. 1155 ZGB zwei Möglichkeiten, doch noch die Erbschaft anzunehmen: Wenn alle Erben, die das Erbe bereits angenommen haben, schriftlich der verspäteten Annahme des Erbes zustimmen, ist das Fristversäumnis unerheblich. Eine solche Zustimmung ist Voraussetzung dafür, dass der zuständige Notar neue Erbscheine ausstellt und bereits bestehende gegebenenfalls annulliert. Sofern die Erben nicht zustimmen, ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich, wenn der Erbe vor Gericht nachweist, dass er nicht von dem Erbfall wusste oder wissen konnte oder Gründe vorbringen kann, die sein Fristversäumnis entschuldigen (z.B. Krankheit). Ein entsprechender Antrag auf Einsetzung als Erbe muss bei dem zuständigen Gericht innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis vom Erbfall bzw. Wegfall des entschuldigenden Grundes gestellt werden, vgl. Art. 1155 ZGB. Neben der Erbeinsetzung erklärt das Gericht im Erfolgsfalle alle bereits erteilen Erbscheine für unwirksam.

 

Rz. 73

Wenn ein Erbe nach dem Erbfall, jedoch vor Annahme der Erbschaft verstirbt, geht das Recht zur Annahme des Erbes auf seine Erben über. Ausgenommen ist hiervon lediglich das Recht auf einen Pflichtteil, da dieses Recht eng mit Voraussetzungen in der Person des Erben verbunden ist, so dass es nicht vererblich ist. Sofern die Annahmefrist für die Erbschaft nur noch weniger als drei Monate beträgt, so verlängert sich diese Frist gem. Art. 1156 Abs. 2 ZGB auf drei Monate. Im Falle eines Fristversäumnisses gilt Art. 1155 ZGB entsprechend.

 

Rz. 74

Die Annahme der Erbschaft hat gem. Art. 1152 Abs. 4 ZGB rückwirkende Wirkung, so dass der Erbe so gestellt wird, als wenn er die Erbschaft zum Zeitpunkt des Erbfalls, d.h. zum Todeszeitpunkt des Erblassers, erhalten hätte.

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