Rz. 69
Gemäß Art. 1152 ZGB muss ein Erbe die Erbschaft annehmen. Lediglich der russische Staat bedarf zur Annahme der Erbschaft keiner Annahmeerklärung. Die Annahme der Erbschaft stellt ein einseitiges Rechtsgeschäft dar, so dass die Annahme die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit des Erben voraussetzt. Daher können Minderjährige nur mit Zustimmung oder vertreten durch ihre Eltern eine Erbschaft annehmen. Eine teilweise oder bedingte Annahme der Erbschaft (z.B. nur des Vermögens ohne die Schulden des Erblassers) ist grundsätzlich nicht möglich. Allerdings sieht Art. 1152 Abs. 2 S. 2 ZGB vor, dass dann, wenn ein Erbe aufgrund verschiedener Gründe erbt, er die Erbschaft hinsichtlich einzelner Gründe annehmen oder ausschlagen kann. So kann z.B. ein Erbe, dem testamentarisch ein bestimmter Vermögensgegenstand vererbt wurde, der jedoch gleichzeitig gesetzlicher Erbe bezüglich des nicht durch das Testament abgedeckten Vermögens ist, den testamentarisch vermachten Vermögensgegenstand annehmen und den Erbteil aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausschlagen.
Rz. 70
Formell erfolgt die Annahme der Erbschaft grundsätzlich durch einen entsprechenden Antrag, der beim zuständigen Notar eingereicht wird. Sofern der Antrag nicht persönlich durch den Erben beim Notar abgegeben wird, muss die Unterschrift auf dem Antrag notariell beglaubigt werden. Sofern ein Vertreter den Antrag auf Annahme der Erbschaft stellt, benötigt dieser eine Vollmacht, die ausdrücklich zur Annahmeerklärung bevollmächtigt und notariell beglaubigt ist. Wenn die Vollmacht in Deutschland erstellt wurde, muss die Unterschrift ebenfalls notariell beglaubigt, die Vollmacht mit Apostille versehen und notariell beglaubigt übersetzt werden. Alternativ kann eine entsprechende Vollmacht auch durch ein russisches Konsulat in Deutschland ausgefertigt werden.
Rz. 71
Bei Ausfertigung einer Vollmacht in Deutschland zur Erbschaftsannahme in Russland sollte diese sehr sorgfältig erstellt werden. Zur Vermeidung von Risiken bei der Akzeptanz der Vollmacht sollte die Liste der Handlungen des Vertreters möglichst ausführlich und zweisprachig (Russisch/Deutsch) erstellt und der Wortlaut möglichst mit dem Notar in Russland sowie ggf. mit weiteren Stellen, bei denen die Vollmacht vorzulegen ist (z.B. Banken), vor Ausfertigung in Deutschland abgestimmt werden.
Neben dem Antrag auf Annahme der Erbschaft sind regelmäßig folgende weitere Dokumente erforderlich:
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Identitätsnachweis (nationaler russischer Pass bzw. bei Ausländern Reisepass) |
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Nachweis des Verwandtschaftsgrads (z.B. Geburtsurkunde(n), Heiratsurkunde; deutsche Urkunden müssen mit Apostille versehen und notariell beglaubigt ins Russische übersetzt werden) |
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Todesschein |
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Auszug aus dem Hausbuch, einem Register aller in einem Wohngebäude in Russland registrierten Personen, zum Nachweis für den letzten Wohnsitz des Erblassers in Russland. |
Rz. 72
Weiterhin gilt eine Erbschaft gem. Art. 1153 Abs. 2 ZGB bis zum Beweis des Gegenteils als angenommen, wenn der Erbe Maßnahmen im Hinblick auf die Erbschaft getroffen hat, die eine Annahme indizieren, z.B. Maßnahmen zur Sicherung des Vermögens, Aufwendungen zur Erhaltung des Vermögens oder Zahlung von Schulden des Erblassers. Für den Erhalt eines Erbscheins, der z.B. für die Umschreibung des Eigentumsrechts an Immobilien im Immobilienregister benötigt wird, ist jedoch ein Antrag beim zuständigen Notar nötig.
Rz. 73
Gemäß Art. 1154 Abs. 1 ZGB beträgt die Frist zur Annahme der Erbschaft grundsätzlich sechs Monate ab dem Erbfall. Sofern ein Erbe erst infolge der Ausschlagung der Erbschaft durch einen anderen Erben oder aufgrund der gerichtlichen Feststellung der Erbunwürdigkeit des anderen Erben zum Erben wird, beginnt der Lauf für die Sechsmonatsfrist erst im Zeitpunkt der Ausschlagung des Erbens bzw. der Rechtskraft der Gerichtsentscheidung. Erben, die erst aufgrund der Nichtannahme der Erbschaft durch andere Erben zum Erben werden, müssen die Erbschaft innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Sechsmonatsfrist annehmen.
Rz. 74
Im Falle des Fristversäumnisses gibt es gem. Art. 1155 ZGB zwei Möglichkeiten, doch noch die Erbschaft anzunehmen: Wenn alle Erben, die das Erbe bereits angenommen haben, schriftlich der verspäteten Annahme des Erbes zustimmen, ist das Fristversäumnis unerheblich. Eine solche Zustimmung ist Voraussetzung dafür, dass der zuständige Notar neue Erbscheine ausstellt und bereits bestehende gegebenenfalls annulliert. Sofern die Erben nicht zustimmen, ist eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich, wenn der Erbe vor Gericht nachweist, dass er nicht von dem Erbfall wusste oder wissen konnte (z.B. weil er keinen Kontakt mit dem Erblasser hatte, kein Verwandter des Erblassers war, nicht in Russland gelebt hat und nur zufällig von dem Todesfall erfahren hat) oder Gründe vorbringen kann, die sein Fristversäumnis entschuldigen (z.B. Krankheit). Ein entsprechender Antrag auf Einsetzung als Erbe muss bei dem zuständigen Gericht innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis ...