Leitsatz (amtlich)

1. Das am 1.1.2011 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretene KSÜ ist hinsichtlich der Frage des anwendbaren Rechts auch auf Verfahren anwendbar, die vor diesem Tag eingeleitet wurden (Anschluss an BGH, Beschl. v. 16.3.2011 - XII ZB 407/10).

2. Zur vollständigen Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei steten und massiven Herabwürdigungen eines Elternteils durch den anderen.

 

Verfahrensgang

AG Saarbrücken (Beschluss vom 08.12.2010; Aktenzeichen 40 F 212/08 SO)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarbrücken vom 8.12.2010 - 40 F 212/08 SO - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

3. Der Antragsgegnerin wird mit Wirkung vom 23.2.2011 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter gleichzeitiger Beiordnung von Rechtsanwalt, bewilligt.

4. Dem Antragsteller wird die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

 

Gründe

I. Aus der am 25.6.2003 geschlossenen Ehe des Vaters, Deutscher, und der Mutter, die bulgarische Staatsangehörige ist, ist am 2.12.2005 - nach der Trennung der Eltern im Sommer 2005 - die betroffene Tochter A. hervorgegangen, die seither bei der Mutter lebt. Dieser wurde mit Beschluss des AG - Familiengericht - in Ottweiler vom 27.3.2006 - 12 F 122/06 SO - mit Zustimmung des Vaters das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. übertragen.

Mit am 27.5.2008 beim Familiengericht Saarbrücken eingegangenem und der Mutter am 24.7.2008 zugestellten Antrag hat der Vater auf Scheidung der Ehe angetragen. Die Mutter hat mit Schriftsatz vom 24.6.2008 ebenfalls Scheidungsantrag gestellt und zugleich beantragt, ihr für den Fall der Ehescheidung die Alleinsorge für A. zu übertragen. Der Vater ist diesem - vom Jugendamt unterstützten - Sorgerechtsantrag entgegengetreten. Einen ferner vom Vater angebrachten und zum Scheidungsverfahren hinzuverbundenen Antrag auf Eheaufhebung haben die Eltern übereinstimmend für erledigt erklärt.

In der mündlichen Verhandlung vom 3.11.2010 haben die Eltern auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet und das Familiengericht die Folgesache elterliche Sorge vom Scheidungsverbund abgetrennt. Durch am selben Tage verkündeten und rechtskräftig gewordenen Beschluss hat es die Ehe der Eltern geschieden und erkannt, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8.12.2010, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die Alleinsorge für A. übertragen.

Gegen diesen dem Vater am 10.1.2011 zugestellten Beschluss richtet sich dessen bereits zuvor - am 22.12.2010 - beim Familiengericht eingegangene Beschwerde, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Sorgerechtsantrags der Mutter erstrebt.

Die Mutter bittet um Zurückweisung der Beschwerde.

Das angehörte Jugendamt hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Beide Eltern suchen um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Dem Senat haben neben den Scheidungsverbundakten die Akten des Familiengerichts Ottweiler 12 F 122/06 SO und des Familiengerichts Saarbrücken 52 F 501/10 UG vorgelegen. Letzteres Verfahren hat das Familiengericht am 21.12.2010 auf Antrag der Eltern zum Ruhen gebracht, nachdem diese eine Zwischenvereinbarung geschlossen hatten, in der dem Vater - ohne nähere Konkretisierung - ein "durch den Kinderschutzbund" begleitetes Umgangsrecht eingeräumt worden ist.

II. Die Senatsentscheidung richtet sich gem. Art. 111 Abs. 5 FGG-RG nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden Recht; denn abweichend von Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG sind auf Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen - wie hier - am 31.8.2010 im ersten Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde, sowie auf die mit solchen Verfahren im Verbund stehenden Scheidungs- und Folgesachen - wie hier die am 3.11.2010 abgetrennte Folgesache Sorgerecht - ab dem 1.9.2010 die nach Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden, was auch hinsichtlich des in der Rechtsmittelinstanz anzuwendenden Verfahrensrechts gilt (vgl. BGH FamRZ 2011, 100; s. zum Ganzen Senatsbeschluss vom 31.3.2011 - 6 UF 128/10 - m.w.N.).

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters bleibt ohne Erfolg.

Das Familiengericht hat zutreffend - stillschweigend - seine internationale Zuständigkeit angenommen, die vorliegend aus Art. 12 Abs. 1 und 2 lit. b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (sog. Brüssel IIa-Verordnung; ABl. EG Nr. L 338 vom 23.12.2003, S. 1) folgt, der Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vorgeht (Art. 8 Abs. 2 der Verordnung, vgl. dazu auch BGH FamRZ 2010, 720), und den Streitfall nach Art. 15 Abs. 1 des für die Bundesrepublik Deutschland am 1.1.2011 in Kraft...

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