Leitsatz (amtlich)
1. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft der getrennt lebenden Kindeseltern voraus.
2. Bei der Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB kommt es darauf an, wie sich die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung des Kindes auswirken wird.
Verfahrensgang
AG St. Wendel (Beschluss vom 28.08.2003; Aktenzeichen 16 F 502/03 So) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Kindesvaters gegen den Beschluss des AG – FamG – in St. Wendel vom 28.8.2003 – 16 F 503/02 SO – wird zurückgewiesen.
II. Der Kindesvater hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
III. Der Antrag des Kindesvaters, ihm für seine Beschwerde gegen den Beschluss des AG – FamG – in St. Wendel vom 28.8.2003 – 16 F 503/02 SO – Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Aus ihrer Ehe sind die drei minderjährigen Kinder M., G. und M.-A.M. hervorgegangen, die im Haushalt der zwischenzeitlich wiederverheirateten Kindesmutter leben. Dieser wurde durch Beschluss des AG – FamG – in Saarbrücken vom 20.9.2000 – 41 F 252/00 SO – das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für alle drei Kinder übertragen.
Die Kindesmutter, aus deren neuer Ehe eine am Februar 2002 geborene Tochter hervorgegangen ist, hat mit Eingang am 6.12.2002 beim AG – FamG – in St. Wendel auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für die aus ihrer ersten Ehe hervorgegangenen drei Kinder angetragen.
Der Kindesvater hat gebeten, den Sorgerechtsantrag zurückzuweisen und es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge zu belassen.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das FamG dem Antrag der Kindesmutter entsprochen und dieser alleine die elterliche Sorge für die drei aus ihrer ersten Ehe hervorgegangenen Kinder übertragen.
Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Kindesvater seinen erstinstanzlichen Antrag auf Zurückweisung des Antrags der Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge weiter. Er ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht gegeben sind.
Die Kindesmutter bittet unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses um Zurückweisung der Beschwerde des Kindesvaters.
II. Die gem. §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde des Kindesvaters bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Senat teilt die Auffassung des FamG, dass vorliegend die Voraussetzungen für die von der Kindesmutter begehrte Übertragung des alleinigen Sorgerechts gem. § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB gegeben sind.
Dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der Alleinsorge oder eines Teils der elterlichen Sorge ist zu entsprechen, wenn entweder – was hier nicht der Fall ist – der andere Teil zustimmt und das mindestens 14 Jahre alte Kind nicht widerspricht (§ 1671 Abs. 2 Ziff. 1 BGB) oder aber wenn zu erwarten ist, dass die beantragte Regelung dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB).
Entgegen der Auffassung des Kindesvaters ist unter den hier gegebenen Umständen die Beurteilung des FamG, dass die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für alle drei Kinder auf die Kindesmutter dem Wohl der Kinder am besten entspricht, nicht zu beanstanden und hält den Beschwerdeangriffen stand. Hinreichende Grundlagen im Tatsächlichen, die die vom Kindesvater erstrebte Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge rechtfertigen könnten, sind weder vom Kindesvater vorgetragen noch ersichtlich.
Voraussetzung für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist sowohl objektive Kooperationsfähigkeit als auch subjektive Kooperationsbereitschaft der Kindeseltern.
Gelingt es den Kindeseltern hingegen nicht, zu Einvernehmen im Interesse der Kinder zu gelangen, weil ihnen die notwendige Konsens- und Kommunikationsfähigkeit fehlt, ist nach ständiger Rspr. des BGH, der die Familiensenate des Saarländischen OLG folgen, der Alleinsorge der Vorzug zu geben. Die Neuordnung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz enthält nämlich kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zugunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge dergestalt besteht, dass der gemeinsamen elterlichen Sorge der Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt werden sollte und die Alleinsorge nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommt. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (BGH FamRZ 1999, 1646 ff.; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.12.2003 – 9 UF 159/02, m.w.N.).
Dabei schließt allerdings nicht jede Spannung oder Streitigkeit zwischen den getrennt lebenden Elternt...