Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anrechnung der Geschäftsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Anrechnungsbestimmung Vorbemerkung 3 Abs. 4 Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) RVG hindert die Geltendmachung und Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren gegen die unterlegene Partei im Regelfall nicht.
Normenkette
RVG Vorbem. 3 Abs. 4 Anlage 1 zu § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 23.05.2007; Aktenzeichen 6 O 267/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 300 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger haben die Beklagten vor dem LG in Saarbrücken gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz i.H.v. 5.264,98 EUR nebst Zinsen sowie außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 278,05 EUR in Anspruch genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und die Kläger als Gesamtschuldner in die Kosten des Rechtsstreits verurteilt.
Die - bereits vorgerichtlich tätig gewordenen (Schreiben der Bevollmächtigten der Kläger vom 21.7.2006) - Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben unter dem 26.4.2007 unter Zugrundelegung eines an der Höhe der Hauptforderung orientierten Gebührenstreitwertes Kosten i.H.v. insgesamt 1.195,83 EUR zur Festsetzung gegen die Kläger angemeldet, u.a. eine 1,6-Verfahrensgebühr (VV Nr. 3100 i.V.m. VV Nr. 1008 [Anlage 1 zu § 2 Abs. 2] RVG) i.H.v. 540,80 EUR (netto). Nachfolgend haben sie den Antrag um zunächst beanspruchte Fotokopiekosten i.H.v. 3,50 EUR (netto) reduziert.
Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss, auf den ergänzend Bezug genommen wird, hat die Rechtspflegerin des LG die von den Klägern an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.191,66 EUR festgesetzt.
Mit ihrer "Erinnerung" wenden sich die Kläger gegen den ungekürzten Ansatz der Verfahrensgebühr. Sie machen - gestützt u.a. auf zwei Entscheidungen des BGH vom 7.; v. 14.3.2007 - VIII ZR 86/06 und VIII ZR 184/06 - (NJW 2007, 2049; 2007, 2050) geltend, dass im Kostenfestsetzungsverfahren nicht die volle, sondern nur noch die um den anrechenbaren Teil der auf Seiten der Beklagten vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr (RVG-VV Nr. 2300) reduzierte Verfahrensgebühr (RVG-VV Nr. 3100) zu berücksichtigen sei.
Die Beklagten bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels. Sie verteidigen den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss. Unter dem 3.9.2007 haben Sie die Geschäftsgebühr (RVG-VV Nr. 2300) auf insgesamt 546,69 EUR (brutto) beziffert.
Die Rechtspflegerin des LG hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 25.9.2007 nicht abgeholfen und die Akten dem Saarländischen OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde "Erinnerung" der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.5.2007 ist gem. § 104 Abs. 3 ZPO statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig (§§ 567, 569 ZPO); insbesondere ist unter Berücksichtigung der angestrebten Anrechnung einer hälftigen Geschäftsgebühr die Beschwerdesumme (§ 567 Abs. 2 ZPO) erreicht.
In der Sache bleibt die sofortige Beschwerde der Kläger ohne Erfolg. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss hält den Beschwerdeangriffen stand.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin die von den Beklagten geltend gemachte 1,6-Verfahrensgebühr (VV Nr. 3100) in voller Höhe gegen die Kläger festgesetzt. Die Anrechnungsbestimmung nach der (amtlichen) Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) RVG - wonach eine Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300 bis 2303, sofern sie wegen desselben Gegenstandes entstanden ist, zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird - steht der Festsetzung hier nicht entgegen.
Für die Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist - unbeschadet ihrer vorgerichtlichen Tätigkeit - spätestens mit Einreichung der Klageerwiderung vom 14.12.2006 die 1,6-Verfahrensgebühr (RVG-VV Nr. 3100, Nr. 1008) entstanden. Dass die Verfahrensgebühr in voller Höhe entsteht, ergibt sich gerade aus der Anrechnungsbestimmung nach der (amtlichen) Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2) RVG und beruht darauf, dass es sich bei der vorgerichtlichen - regelmäßig auf die Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens gerichteten - Tätigkeit des Rechtsanwalts und der Vertretung im nachfolgenden Rechtsstreit um verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten (§ 15 RVG) handelt (OLG München, AnwBl. 2007, 797, 798). Gegen die bei der Festsetzung berücksichtigte 0,3-Gebührenerhöhung nach RVG-VV Nr. 1008 wegen (insgesamt) zwei Auftraggebern bestehen ebenfalls keine Bedenken und wird mit der sofortigen Beschwerde auch nichts erinnert. Die einmal entstandene Verfahrensgebühr gehört zu den Kosten des Rechtsstreits i.S.v. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO und ist deshalb in voller Höhe erstattungsfähig (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Zwar ist die zuvor entstandene Geschäftsgebühr - über die nach Grund und Höhe hier kein Streit besteht - nach dem insoweit eindeu...