Leitsatz (amtlich)
1. Der von dem Nacherben vorgelegte Erbschein reicht als Umschreibungsgrundlage im Grundbuchverfahren nur aus, wenn auch sonst keine Zweifel an der Nachlasszugehörigkeit des betroffenen Grundstücks bestehen.
2. Solche Zweifel bestehen, wenn die Nacherbenanwartschaft vor dem Nacherbfall an einen Dritten veräußert wurde, auch ungeachtet des im Grundbuchverfahren regelmäßig nicht nachweisbaren Einwandes, die Veräußerung sei wegen eines auffälligen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung sittenwidrig gewesen.
Normenkette
BGB §§ 138, 2100; GBO §§ 22, 29, 35 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Saarbrücken (Entscheidung vom 31.05.2023; Aktenzeichen Bl 2782) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken - Grundbuchamt - vom 31. Mai 2023 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand der vorliegenden Grundbuchbeschwerde ist die Zurückweisung eines am 6. Oktober 2022 eingereichten Antrages der Beteiligten zu 1), mit dem diese ihre Eintragung als Eigentümerin zu 1/2 der in den Grundbüchern von Malstatt-Burbach Blatt ..., Güdingen Blatt ... und Brebach Blatt ... eingetragenen Grundstücke (Bl. 55 ff. d.A.) nach dem Tode der vormaligen Eigentümerin, der am 3. Juni 2007 verstorbenen Frau P. (im Folgenden: Erblasserin), begehrt. Hierzu hat sie die beglaubigte Abschrift eines am 1. Juni 2022 erteilten Erbscheines vorgelegt, der sie und den Beteiligten zu 3) als Erben zu je 1/2-Anteil nach der Erblasserin ausweist (Bl. 67 d.A.) und ausgeführt, die Erblasserin sei von ihr und dem Beteiligten zu 3) als Nacherben beerbt worden; Vorerbin sei eine Frau B. gewesen, die am 9. April 2020 verstorben sei. Zuvor hatte der Beteiligte zu 2) mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 12. August 2022 einen - am 13. Oktober 2022 hinsichtlich der Grundstücksbezeichnung berichtigten - Antrag auf Grundbuchberichtigung gestellt (Bl. 28 ff., 45 d.A.) und darin unter Hinweis auf die Eigentümerstellung der Beteiligten zu 2) und zu 3) um Löschung mehrerer in den Abteilungen II und III des Grundbuches von Güdingen, Blatt ... verzeichneter Belastungen sowie um deren Eintragung als Eigentümer des im Grundbuch von Brebach Blatt ... eingetragenen Grundbesitzes gebeten. Zur Begründung hatte er sich auf einen notariellen Vertrag vom 25. November 2010 berufen (UR Nr. xxx Ka des Notars S., S. = Bl. 38 ff. d.A.), in dem die Beteiligte zu 1) ihre Nacherbenanwartschaft am Nachlass der Erblasserin an den Beteiligten zu 2) verkauft und mit sofortiger Wirkung übertragen hatte. Ausweislich eines am 27. April 2023 zu den Grundbuchakten gelangten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 24. April 2023 (Bl. 85 ff. d.A.) begehrt die Beteiligte zu 1) darin die Eintragung eines Widerspruchs gegen das Eigentumsrecht der Beteiligten zu 2) und zu 3), u. a. hinsichtlich des hier gegenständlichen Grundbesitzes, mit der Begründung, der notarielle Vertrag vom 25. November 2010 sei sittenwidrig und nichtig.
Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat mit Verfügung vom 11. April 2023 die von dem Beteiligten zu 2) begehrten Eintragungen vollzogen (Bl. 110 d.A.); mit weiterer Verfügung vom selben Tage hat es die Beteiligte zu 1) durch ihren Verfahrensbevollmächtigten zur Rücknahme ihres Antrages aufgefordert und zur Begründung ausgeführt, angesichts der wirksamen Übertragung der Nacherbenanwartschaft an den Beteiligten zu 2) sei zwar in den Erbschein der Veräußerer (= die Beteiligte zu 1) aufzunehmen und nicht der Erwerber (= der Beteiligte zu 2), dieser sei allerdings durch einen auf den eingesetzten Nacherben lautenden Erbschein in Verbindung mit dem beglaubigten Übertragungsgeschäft hinreichend legitimiert und daher zusammen mit dem Beteiligten zu 3) in Erbengemeinschaft in das Grundbuch einzutragen (Bl. 111 d.A.). Unter Bezugnahme auf diese Begründung hat es sodann, nachdem keine weitere Stellungnahme einging, den Grundbuchberichtigungsantrag der Beteiligten zu 1) mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 113 d.A.) zurückgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) mit ihrer Beschwerde (Bl. 117 ff. d.A.), in der sie erneut auf die ihres Erachtens gegebene Sittenwidrigkeit des notariellen Vertrages vom 25. November 2010 und den Fortbestand ihrer Erbenstellung verweist, und der das Amtsgericht mit Beschluss vom 26. Juni 2023 (Bl. 118 d.A.) nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Zurückweisung ihres Antrages auf Berichtigung des Grundbuches ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), in der Sache jedoch nicht begründet. Das Grundbuchamt hat die Vornahme der von der Beteiligten zu 1) beantragten Eintragung zu Recht abgelehnt. Ungeachtet des Umstandes, dass auch nach ihrer Darstellung allenfalls die Eintragung der beiden in dem Erbschein genannten Beteiligten zu 1) und zu 3) in Erbengemeinschaft zu je 1/2 in Betracht käme (vgl. Demharter, Grundbuchordnung 32. Aufl., § 47 Rn. 21), sind die weitere...