Leitsatz (amtlich)

Eine sog. relative Geschäftsunfähigkeit - als Unterkategorie der partiellen Geschäftsunfähigkeit -, bei der eine Person allgemein für alle schwierigeren Rechtsgeschäfte geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB), für alle anderen einfacheren Rechtsgeschäfte dagegen geschäftsfähig sein kann, ist abzulehnen. Der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages mit einer Verpflichtung zur Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in das Vermögen einer neu gegründeten Gesellschaft ist auch dann als Gesamtvermögensgeschäft im Sinne von § 1365 BGB anzusehen, wenn der Einbringende an der neuen Gesellschaft mit 50% beteiligt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1365 BGB trägt derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit des Gesamtvermögensgeschäfts beruft. Dies gilt auch hinsichtlich der (hier verneinten) Kenntnis des Dritten von den für das Vorliegen eines Gesamtvermögensgeschäfts relevanten Umständen.

 

Verfahrensgang

AG Neunkirchen (Aktenzeichen 17 F 102/16 GÜ)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Neunkirchen vom 7. August 2018 - 17 F 102/16 GÜ - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hatte mit ihrem Ehemann Dr. W. Sch. (fortan: Erblasser), den sie am 12. Juni 1992 geheiratet hatte und der am 28. Juli 2016 Suizid beging, im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Aufgrund Erbvertrags vom 9. Dezember 1999 ist sie Alleinerbin des Erblassers.

Der Erblasser war approbierter Apotheker, hatte im März 2013 u.a. die S.-Apotheke aus einem Nachlassinsolvenzverfahren für 5.100.000 EUR erworben und diese zunächst als eingetragener Kaufmann betrieben.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 30. Juni 2014 brachte der Erblasser - gemäß dessen § 4 mit Wirkung zum 1. September 2014 - sein einzelkaufmännisches Vermögen in Form der S.-Apotheke in die zeitgleich gegründete offene Handelsgesellschaft S. OHG ein und übertrug dem Antragsgegner einen 50%igen Anteil an der OHG, die anschließend unter dem Namen BS-Apotheken oHG firmierte.

Zum Vermögen des Erblassers gehörten zu diesem Stichtag unstreitig jedenfalls eine Forderung aus dem Verkauf der Hirsch-Apotheke in Höhe von 881.000 EUR, eine Kapitalanlage bei der Crédit Suisse in Höhe von 300.000 EUR sowie drei Eigentumswohnungen in D. und sieben Eigentumswohnungen in R., wobei der Erblasser zur Finanzierung dieser Immobilien dinglich besicherte Darlehen aufgenommen hatte. Der Reinwert der Eigentumswohnungen und weiterer Vermögensgegenstände des Erblassers ist zwischen den Beteiligten streitig.

Durch zweiten Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag der BS-Apotheken oHG vom 4. November 2015 übertrug der Erblasser dem Antragsgegner einen weiteren 45%igen Anteil an der OHG.

Mit Schreiben vom 21. März 2016 verweigerte die Antragstellerin die Genehmigung jener beiden Verfügungen.

Die Antragstellerin hat behauptet, dass der Erblasser im Zeitpunkt beider Verfügungen geschäftsunfähig gewesen sei. Jedenfalls habe der Erblasser durch die Einbringung des Vermögens der S.-Apotheke in die OHG im Sinne von § 1365 BGB über sein Vermögen im Ganzen verfügt, was dem Antragsgegner auch bekannt gewesen sei. Denn die S.-Apotheke habe im Zeitpunkt ihrer Einbringung in die OHG einen Wert von mindestens 20 Millionen EUR gehabt.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin mit am 22. April 2016 eingegangener und im selben Jahr rechtshängig gewordener "Klage" beantragt festzustellen, dass der Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft S.-OHG vom 30. Juni 2014, geschlossen zwischen dem Erblasser und dem Antragsgegner, in Verbindung mit dem zweiten Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag einer offenen Handelsgesellschaft BS-Apotheken-OHG, Register-Nr. HRA 110396 des Amtsgerichts Osnabrück, vom 4. November 2015, geschlossen zwischen dem Erblasser und dem Antragsgegner, unwirksam ist.

Der Antragsgegner hat auf Antragsabweisung angetragen.

Mit rechtskräftig gewordenem Zwischenbeschluss vom 25. Oktober 2016 hat das Familiengericht die Zulässigkeit des (Feststellungs-)Antrags festgestellt.

Das Familiengericht hat durch Einholung eines unter dem 23. Februar 2018 schriftlich erstatteten und am 15. Juni 2018 mündlich erläuterten fachpsychiatrischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. C. B., Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik mit Tagesklinik der SHG-Kliniken Völklingen, Beweis erhoben. Die Antragstellerin hat dem ein im vor dem Landgericht Osnabrück geführten Verfahren 11 O 2597/17 durch den Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. med. H. Sch. M. unter dem 3. Dezember 2017 erstelltes schriftliches Sachverständigengutachten und eine ergänzende Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 19. Juni 2018 entgegengesetzt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 7. August 2018, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht den Antrag zurückgewiesen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren ...

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