Leitsatz (amtlich)
Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft die Frist für die Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom Gericht gesetzten - auch verlängerten - Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Sachverständigengutachtens auseinander setzen muss.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 22.08.2006; Aktenzeichen 16 OH 14/04) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 22.8.2006, 16 OH 14/04, abgeändert und die Ablehnung des Sachverständigen PD Dr. W. für begründet erachtet.
2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. In dem selbständigen Beweisverfahren 16 OH 14/04 des LG Saarbrücken wurde der PD Dr. W. gemäß dem Beweisbeschluss vom 26.7.2004 mit der Erstattung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt, das dieser unter dem 30.4.2005 erstattete (Bl. 41 ff. d.A.). Mit Schriftsatz vom 15.7.2005 lehnte die Klägerin den Sachverständigen erstmals wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 71 ff. d.A.). In diesem Zusammenhang verwies sie u.a. auf fachlich falsche Feststellungen, aber auch darauf, dass der Gutachter Parteivorbringen des Antragsgegners (als unstreitig) übernommen habe. Nach Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen (Bl. 80 ff. d.A.) hat das LG mit Beschluss vom 9.8.2005 (Bl. 87 ff. d.A.) das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt, weil die Ausführungen des Sachverständigen insgesamt zeigten, dass er sein Gutachten in objektiver Weise erstellt habe, und im Übrigen Angriffe inhaltlicher Art nicht geeignet seien, eine Ablehnung zu rechtfertigen. Gemäß den Einwendungen der Antragstellerin in den Schriftsätzen vom 15.7.2005 und 25.10.2005 (Bl. 99 ff. d.A.) sowie den im Schriftsatz vom 15.11.2005 (Bl. 104 ff. d.A.) auf Aufforderung des Gerichts formulierten Fragen erstattete der Sachverständige unter dem 12.6.2006 (Bl. 121 d.A.) ein Ergänzungsgutachten. Auf Antrag der Antragstellerin wurde die ihr gesetzte Frist zur Stellungnahme zum Gutachten bis zum 17.8.2006 verlängert.
Mit Schriftsatz vom 17.8.2006 nahm die Antragstellerin zum Ergänzungsgutachten Stellung und beantragte erneut, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Eine Parteilichkeit ergebe sich ungeachtet des Umstandes seiner fachlichen Ungeeignetheit daraus, dass der Gutachter seine Feststellungen zur Kenntnis des Antragsgegners nach offenkundig falschen Bewertungskriterien treffe, indem er ausführe, dass er es aus "ethisch-moralischen Gründen undenkbar" halte, dass "ein Operateur eine intraoperative Fraktur wissentlich verschweigen könnte". Dies belege, dass der Sachverständige nicht allein und noch nicht einmal primär nach wissenschaftlich-methodischen Kriterien urteile, sondern primär nach ethisch-moralischen Gesichtspunkten, was zu unhaltbaren Ergebnissen führe. Indem er es als undenkbar ansehe, dass ein Kollege schwerwiegende eintretende Folgen einer Operation nur deshalb verschweige, um eine mögliche eigene Fehlbehandlung zu vertuschen zeige deutlich die Tendenz des Sachverständigen, den Kollegen mit solchen Hinweisen zu schützen.
Das LG hat nach Einholung einer Stellungnahme des Sachverständigen (Bl. 145 ff. d.A.) mit Beschluss vom 22.8.2006 das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt (Bl. 148 ff. d.A.). Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt, dass insgesamt keine Umstände vorlägen, die auf eine Voreingenommenheit des Sachverständigen schließen ließen. Soweit die Antragstellerin die Behauptung aufgestellt habe, es sei im Bereich des Möglichen, dass der Antragsteller den Kieferbruch erkannt, die Antragstellerin hierüber aber nicht aufgeklärt habe, und der Sachverständige auftragsgemäß sich zu diesem Problemkreis geäußert habe, könne dessen Feststellung, dass er die Richtigkeit der Behauptung als außerordentlich unwahrscheinlich einschätze, nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Denn der Sachverständige habe sich hierfür zum einen mit der Behandlungsdokumentation des Antragsgegners auseinandergesetzt, in der eine langsame Besserung dokumentiert sei. Zum anderen habe der Sachverständige auf die Unsinnigkeit eines Verschweigens verwiesen, da die Folgen einer Fraktur ohnehin im Laufe der Zeit deutlich würden. Letztlich habe der Sachverständige aus ethisch- moralischen Gründen ein bewusstes Verschweigen für nicht denkbar, unärztlich und im vorliegenden Fall für ausgeschlossen erachtet. Soweit der Sachverständige gemäß den Einwendungen der Antragstellerin auftragsgemäß zu inneren Tatsachen des Antragsgegners eine Einschätzung abgegeben habe, sei es nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige auf die vorgenannten Kriterien zurückgegriffen habe. Insoweit habe er lediglich eine Abschätzung aus seiner Sicht geben können, und danach habe er ein bewusstes Verschweigen als sehr unwahrscheinlich ange...