Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert einer Klage auf Herausgabe von Versicherungspolicen

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Streitwert einer auf Herausgabe von Versicherungspolicen gerichteten Klage.

 

Normenkette

GKG § 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 10 O 41/04)

 

Tenor

1. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung und ist ihres Rechtsmittels verlustig.

2. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 11.890,46 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Nachdem die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat, waren ihr nach § 516 Abs. 3 ZPO von Amts wegen die Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen und der Verlust ihres Rechtsmittels festzustellen. Gegen diese Entscheidung war die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, deren Voraussetzungen nach § 574 Abs. 1-3 ZPO nicht gegeben sind.

II. Gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO war der Streitwert des Berufungsverfahrens entsprechend dem vollen Rückkaufswert der in Rede stehenden Lebensversicherungen auf 11.890,46 EUR festzusetzen.

Dieser Streitwert bemisst sich nicht nach § 6 ZPO, wonach eine Wertfestsetzung nur dann in Betracht kommt, wenn der Besitz der Urkunde unmittelbar den Wert eines Rechts verkörpert, wie dies insb. bei Inhaberpapieren der Fall ist. Dazu zählen Versicherungsscheine nicht, da der Versicherungsschein lediglich ein qualifiziertes Legitimationspapier i.S.d. §§ 4 Abs. 1 VVG, 808 BGB darstellt, welches den Versicherer dazu berechtigt, mit befreiender Wirkung an den Inhaber des Versicherungsscheins zu leisten, ohne dem Inhaber des Versicherungsscheins einen Anspruch auf die Leistung zu vermitteln (BGH, Urt. v. 22.3.2000 - IV ZR 23/99, MDR 2000, 831 = NJW 2000, 2103; Beschl. v. 10.10.2001 - IV ZR 120/01, BGHReport 2002, 155 = NJW-RR 2002, 230).

Mithin war der Streitwert nach freiem Ermessen gem. § 3 ZPO zu schätzen. Hierbei orientiert sich die Wertfestsetzung entscheidend danach, welchen Erfolg der Kläger mit dem Besitz der herausverlangten Urkunde erstrebt. Dient der Besitz an der Urkunde der Beweisführung, kann im Regelfall der Streitwert nur mit einem Bruchteil des Werts der Forderung veranschlagt werden. Demgegenüber kommt eine Wertfestsetzung auf den vollen Wert der Forderung in Betracht, wenn der Kläger erst mit dem Besitz der Urkunde die Verfügungsmöglichkeit über das Recht erwirkt (Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rz. 16; Musielak/Heinrich, ZPO, 4. Aufl., § 3 Rz. 27; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 6 Rz. 6; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rz. 86).

Hiervon ausgehend war im vorliegenden Fall der volle Rückkaufswert der Lebensversicherungen für die Wertfestsetzung in Ansatz zu bringen. Anders als im Fall der von der Beklagten zitierten Entscheidung (LAG Stuttgart VersR 2000, 913) steht im vorliegenden Rechtsstreit nicht lediglich die Legitimations- und Beweisfunktion des Versicherungsscheins im Vordergrund. Vielmehr bringt das Schreiben der Versicherung vom 18.11.1997 (Bl. 33 d.A.) klar zum Ausdruck, dass diese die Vorlage der Urkunden bzw. deren Kraftloserklärung als Voraussetzung für die Überweisung des Rückkaufwerts versteht. Damit will der Kläger mit seiner Klage ein Hindernis beseitigen, das der Auszahlung des Rückkaufwerts entgegensteht. Dies rechtfertigt es, den Streitwert des zur Berufung angefallenen Klageanspruchs an der Höhe des Rückkaufwerts zu bemessen.

Insbesondere erscheint es im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt, mit Blick darauf, dass die Versicherungsscheine dem Inhaber der Papiere keinen materiellen Leistungsanspruch vermitteln, einen Abschlag vorzunehmen (so BGH NJW-RR 2002, 230). Denn anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall steht vorliegend die materielle Berechtigung der Beklagten nicht im Streit. Nach der gegebenen Sachlage ist vielmehr ohne weiteres davon auszugehen, dass der Kläger nach Vorlage der Versicherungsscheine eine Auszahlung der Versicherungssumme erreichen kann.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt eine Herabsetzung des Streitwerts auch nicht deshalb in Betracht, weil der Kläger sein Rechtsschutzziel - anstatt den Weg der Herausgabeklage zu beschreiten - ebenfalls durch Kraftloserklärung der Versicherungsscheine hätte erreichen können. Dieser Einwand der Beklagten kann bei der Streitwertfestsetzung schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil diese sich stets am konkreten Streitgegenstand des tatsächlich durchgeführten Verfahrens zu orientieren hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1496876

OLGR-West 2006, 465

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