Leitsatz (amtlich)
1. Der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (sog. Grundrentenzuschlag) ist ein - vorbehaltlich seiner Ausgleichsreife - gesondert auszugleichendes Anrecht mit der Folge der Zulässigkeit einer Rechtsmittelbeschränkung auf dieses Anrecht und einer es bezüglichen Wertfestsetzung.
2. Der Grundrentenzuschlag ist nicht i.S. von § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG volatil.
3. Der Ausgleich des Grundrentenzuschlags kann gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG unwirtschaftlich sein, wenn feststeht oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann, dass der Ausgleichsberechtigte aufgrund der durch § 97a SGB VI vorgeschriebenen Einkommensanrechnung nie eine Rente aus den ihm zu übertragenden Grundrenten-Entgeltpunkten erhalten wird.
Normenkette
SGB VI § 97a; VersAusglG § 19 Abs. 2 Nrn. 2-3
Verfahrensgang
AG Merzig (Beschluss vom 16.08.2022; Aktenzeichen 30 F 14/22 S) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der DRV S. wird Ziffer II. des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - in Merzig vom 16. August 2022 - 30 F 14/22 S - teilweise abgeändert und durch Einfügung eines neuen Absatzes 3 zwischen den bisherigen Absätzen 2 und 3 wie folgt ergänzt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der DRV S., Versicherungsnummer..., zugunsten des Antragstellers ein Anrecht auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung in Höhe von 2,1690 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der DRV B., Versicherungsnummer..., bezogen auf den 31. Januar 2022, übertragen.
2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; die im zweiten Rechtszug entstandenen notwendigen Aufwendungen behält jeder Beteiligter auf sich. Für die erste Instanz bewendet es bei der Kostenentscheidung des Familiengerichts.
3. Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz: 1.000 EUR.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der im September 1967 geborene Antragsteller (fortan: Ehemann) und die im November 1962 geborene Antragsgegnerin (Ehefrau), beide Deutsche, haben am 15. April 1994 die Ehe miteinander geschlossen. Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau im Februar 2022 zugestellt.
In der Ehezeit vom 1. April 1994 bis zum 31. Januar 2022 (§ 3 Abs. 1 VersAusglG) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der Ehemann bei der DRV Bund ein solches in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 34,8708 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 17,4354 Entgeltpunkten, die Ehefrau bei der DRV Saarland ein solches in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 13,1848 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 6,5924 Entgeltpunkten sowie ein solches auf Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung (im Weiteren: Grundrentenzuschlag) mit einem Ehezeitanteil von 4,3380 Entgeltpunkten, einem Ausgleichswert von 2,1690 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 15.693,99 EUR; ferner hat die Ehefrau ein Anrecht bei der H. Pensionskasse von 1905 VVaG mit einem Ehezeitanteil von 5.212 EUR und einem (vorgeschlagenen) Ausgleichswert von 2.554 EUR erlangt.
Durch den nur in der Folgesache Versorgungsausgleich angefochtenen Beschluss vom 16. August 2022, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht die Ehe der Ehegatten geschieden (Ziffer I. der Entscheidungsformel) und in Ziffer II. den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es - jeweils im Wege der internen Teilung und auf den 31. Januar 2022 als Ehezeitende bezogen - zu Lasten des Anrechts des Ehemannes bei der DRV Bund zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 17,4354 Entgeltpunkten auf deren Versicherungskonto bei der DRV Saarland (Absatz 1) und zu Lasten des Anrechts der Ehefrau bei der DRV Saarland zugunsten des Ehemannes ein Anrecht in Höhe von 6,5924 Entgeltpunkten auf dessen Versicherungskonto bei der DRV Bund übertragen (Absatz 2). Ferner hat es vom Ausgleich des Anrechts der Ehefrau bei der H. Pensionskasse von 1905 VVaG nach § 18 Abs. 2 VersAusglG abgesehen (Absatz 3).
Mit ihrer Beschwerde bittet die DRV Saarland, über den Versorgungsausgleich nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden. Sie rügt, dass das Familiengericht das weitere bei ihr bestehende - von ihr erstinstanzlich ebenfalls beauskunftete - Anrecht der Ehefrau auf Grundrentenzuschlag nicht ausgeglichen habe.
Die übrigen Beteiligten haben sich zweitinstanzlich nicht geäußert.
II. Durch die Beschwerde ist dem Senat infolge der von der DRV Saarland wirksam und erkennbar auf das Anrecht der Ehefrau auf Grundrentenzuschlag beschränkten Anfechtung lediglich dieses Anrecht - allerdings insoweit umfassend - zur Prüfung angefallen (siehe - ausdrücklich zum Anrecht auf Grundrentenzuschlag - Senatsbeschluss vom 30. August 2022 - 6 UF 39/22 -; vgl. auch - allgemein - BGH FamRZ 2021, 1955; 2016, 794; 2012, 509; 2011, 547 und 1785; Senatsbeschlüsse vom 9. Juli 2012 - 6 UF 60/12 -, juris, und vom 24. Januar 2011 - 6 ...