Leitsatz (amtlich)

1. Der Streitwert für ein Klageverfahren, in dem ein Energieversorger einen säumigen Kunden mit dem Ziel in Anspruch nimmt, sich Zutritt zum Anwesen des Kunden zu verschaffen, um eine dort installierte Zählereinrichtung zu sperren und zu entfernen, orientiert sich an dem Interesse des Energieversorgers, einen noch größeren Zahlungsausfall zu vermeiden, der aus einer in Vorleistung erfolgenden Belieferung des Kunden droht.

2. Dieses Interesse entspricht dem Wert der monatlichen Abschlagszahlungen, der jedoch in zeitlicher Hinsicht auf den voraussichtlichen Zeitraum bis zur Ermöglichung der zwangsweisen Durchsetzung der Sperre zu begrenzen ist und der im Sinne einer praktikablen Rechtsanwendung regelmäßig einen Zeitraum von 6 Monaten nicht übersteigt.

3. Die aufgelaufenen Zahlungsrückstände bleiben demgegenüber bei der Wertfestsetzung außer Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 14.04.2011; Aktenzeichen 15 O 15/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Rechtsanwälte gegen den Streitwertfestsetzungsbeschluss des LG Saarbrücken vom 14.4.2011 - 15 O 15/11 - wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Verfahren hat die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung mit dem Ziel in Anspruch genommen, der Verfügungsklägerin Zutritt zu dem Anwesen der Verfügungsbeklagten zu gewähren, um die dort installierten Strom- und Gaszähler zu sperren und zu entfernen. Die Verfügungsbeklagte hatte für die Versorgungsleistungen monatliche Abschläge von 937 EUR zu zahlen und war zum Zeitpunkt der Antragstellung mit der Zahlung eines Entgeltes von 4.827,99 EUR im Rückstand.

Mit Versäumnisurteil vom 21.3.2011 hat das LG dem Antrag der Verfügungsklägerin stattgegeben und mit Beschluss vom 14.4.2011 den Streitwert für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf 5.622 EUR festgesetzt. Das LG hat dabei die Auflassung vertreten, das Interesse der Verfügungsklägerin sei gem. § 3 ZPO und zugleich gem. § 48 Abs. 1 S. 1 GKG auch für die Wertfestsetzung mit dem Betrag von sechs Monatsabschlägen zu bemessen. Demgegenüber seien aufgelaufene Rückstände unberücksichtigt zu lassen.

Mit Schriftsatz vom 3.5.2011 haben die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin im eigenen Namen Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss eingelegt. Sie vertreten die Auffassung, der Streitwert sei auf 8.035,99 EUR festzusetzen. Es handele sich bei der Ermöglichung der Versorgungsunterbrechung ohne Vorliegen eines Zahlungstitels um ein Sonderrecht für die Versorgungswirtschaft, damit diese ihre Forderungen leichter durchsetzen könne. Durch das Zwangsmittel der Liefereinstellung solle ein Kunde sowohl zur Bezahlung seiner Rückstände als auch künftig zu pünktlicher Zahlung der Abschläge angehalten werden. Bezeichnenderweise nehme die Verfügungsklägerin die Belieferung einer gesperrten Abnahmestelle erst wieder auf, wenn der Kunde die Rückstände ausgeglichen habe oder mit ihm eine realistische Zahlungsvereinbarung getroffen worden sei. Wenn ein Kunde etwa in Sozialhilfebezug stehe, werde die Belieferung mit Energie erst wieder aufgenommen, wenn der Sozialhilfeträger die Zahlungsrückstände übernommen habe. Aus diesem Grunde sei auch die Begleichung der Zahlungsrückstände ein zu berücksichtigendes wirtschaftliches Interesse, das bereits zu Beginn des einstweiligen Verfügungsverfahrens latent vorhanden sei. Dem werde im einstweiligen Verfügungsverfahren dadurch Rechnung getragen, dass die bereits aufgelaufenen Rückstände nicht mit dem vollen Wert, sondern nur mit 50 % bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses nach § 3 ZPO berücksichtigt würden. Soweit das LG das Interesse der Verfügungsklägerin für die Wertfestsetzung mit einem Betrag von sechs Monatsabschlägen bemessen habe, habe das LG dem Umstand nicht Rechnung getragen, dass zwischen dem Entstehen des Anspruchs auf Unterbrechung der Versorgung und dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit eines hierauf gestützten einstweiligen Verfügungsverfahrens Zeit verstreiche. Es sei daher sachgerecht, eine Dauer von insgesamt 12 Monaten Abschlagszahlungen bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Interesses zu berücksichtigen.

Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.5.2011 nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II.A. Die im eigenen Namen eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin ist zulässig (§ 68 Abs. 1 S. 1, 3; § 63 Abs. 3 S. 2 GKG, § 32 Abs. 2 S. 1 RVG), jedoch in der Sache nicht begründet. Das LG hat den Streitwert in Ausübung seines Ermessens frei von Rechtsfehlern unter Außerachtlassung der aufgelaufenen Rückstände lediglich am 6-fachen Betrag der monatlichen Abschläge bemessen, die sich unstreitig auf 937 EUR belaufen.

1. Gemäß § 62 GKG sind Zuständigkeits- und Gebührenstreitwert einheitlich festzusetzen, soweit die Wertvorschriften des GKG nicht von den Wertvorschriften des Verfahrensrechts abweichen. Demnach hat die Wertfestsetzung nach den Rechtsgrundsätzen des § 3 ZPO zu erfolgen, da...

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