Leitsatz (amtlich)
Bleibt der Vaterschaftsfeststellungsantrag des Kindes nach Einholung eines Abstammungsgutachtens erfolglos, so entspricht es nicht der Billigkeit, allein dem Kind die Verfahrenskosten aufzuerlegen, wenn der Vater zuvor Mehrverkehr eingeräumt hat. Zugleich ist es allerdings seit der Änderung von § 81 Abs. 3 FamFG nicht mehr ausgeschlossen, Kinder an der Kostenlast zu beteiligen.
Normenkette
FamFG § 81 Abs. 3, § 169
Verfahrensgang
AG Homburg (Beschluss vom 29.01.2015; Aktenzeichen 9 F 252/14 AB) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - in Homburg vom 29.1.2015 - 9 F 252/14 AB - aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das AG - Familiengericht - in Homburg zurückverwiesen.
2. Gerichtskosten der zweiten Instanz werden nicht erhoben.
3. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren mit Wirkung vom 12.3.2015 ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Gründe
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht im vorliegenden Vaterschaftsfeststellungverfahren dem unterliegenden Kind (Antragsteller) nach Antragsrücknahme die gesamten Verfahrenskosten auferlegt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig; insbesondere bedarf sie keiner Erwachsenheit im Sinne des § 61 Abs. 1 FamFG (BGH FamRZ 2014, 372; 2013, 1876). In der Sache hat das Rechtmittel vorläufigen Erfolg und führt zu der vom Antragsteller beantragten Aufhebung der angefochtenen Kostenentscheidung und diesbezüglichen Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht.
Die vom Familiengericht befürwortete - und im Ausgangspunkt zutreffend und insoweit unbeanstandet auf (§ 83 Abs. 2 i.V.m.) § 81 FamFG gegründete - Kostenverteilung kann keinen Bestand haben.
An einer Überprüfung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung ist der Senat nicht deswegen gehindert, weil ihr eine Ermessensausübung des Familiengerichts auf dem Boden jener Vorschrift zugrunde liegt. Zwar beschränkt sich in diesem Fall die Überprüfungsmöglichkeit durch das Beschwerdegericht auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Denn der Sinn der Ermessensgewährung würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Allerdings hat das Beschwerdegericht die Entscheidung auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehl- bzw. -nichtgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung zu überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19.7.2012 - 6 WF 360/12 -, juris, und vom 12.12.2011 - 6 UF 170/11 -; vgl. - zu § 243 FamFG - Senatsbeschluss vom 27.7.2011 - 6 UF 94/11 -, FamRZ 2012, 472, jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Celle, ZKJ 2012, 28).
Solcher Ermessensfehlgebrauch ist dem Familiengericht hier unterlaufen.
Denn indem das Familiengericht seine Kostenentscheidung allein darauf gestützt hat, dass (nach dem eingeholten Abstammungsgutachten) eine Vaterschaft des Antragsgegners auszuschließen gewesen sei, hat es wesentliche Billigkeitsgesichtspunkte außer Acht gelassen.
Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens ist zwar nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, ein Gesichtspunkt, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG eingestellt werden kann (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 215). Dies gilt aber vornehmlich für echte Streitverfahren, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen und daher eine gewisse Ähnlichkeit zu einem Zivilprozess besteht. Das Verfahren in Abstammungssachen ist jedoch nach der gesetzlichen Neuregelung in den §§ 169 ff. FamFG nicht mehr als streitiges Verfahren, das nach den Regelungen der Zivilprozessordnung geführt wird, sondern als ein einseitiges Antragsverfahren nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit ausgestaltet. Neben einer größeren Flexibilität des Verfahrens wollte der Gesetzgeber hierdurch erreichen, dass sich die Beteiligten in Abstammungssachen nicht als formelle Gegner gegenüberstehen (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 243). Das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft (§ 169 Nr. 1 FamFG) kann daher einem Streitverfahren nicht mehr uneingeschränkt gleichgestellt werden. Daraus folgt, dass für die im Rahmen eines erfolgreichen Verfahrens zur Vaterschaftsfeststellung zu treffende Entscheidung über die Verfahrenskosten nicht mehr allein das Obsiegen oder Unterliegen der Beteiligten maßgeblich sein kann, wenn weitere Umstände vorliegen, die für eine ...