Leitsatz (amtlich)
a) Die Nichtbeseitigung eines tiefen Schlagloches in einer Ortsdurchgangsstraße stellt jedenfalls dann eine objektive Verletzung der dem Träger der Straßenbaulast obliegenden Verkehrssicherungspflicht dar, wenn sich der Schadensbereich über eine nicht unerhebliche Fläche erstreckt und im Scheitelpunkt einer abschüssig verlaufenden Kurve liegt.
b) In einer solchen Situation genügt der Verkehrssicherungspflichtige seiner Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann, wenn er - anstatt die Schadensstelle auf zumutbare Weise zu beseitigen - in einer Entfernung von mehr als 400 m zur Schadensstelle durch Aufstellen von Verkehrsschildern vor dem Vorhandensein von Straßenschäden warnt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 05.03.2009; Aktenzeichen 4 O 383/08) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 5.3.2009 - 4 O 383/08 - verurteilt, an die Klägerin 2.157,79 EUR nebst 5 Prozent Zinsen hieraus seit dem 10.9.2008 zu zahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin das beklagte Land unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz aus einem Fahrradunfall in Anspruch, der sich am 1.9.2005 auf der L 145 in der Ortsdurchfahrt von H. (dort: H. Straße) in Höhe des Anwesens Nr. XX ereignete.
Die Klägerin befuhr mit ihrem Fahrrad die L 145 gegen 20:00 Uhr von P. kommend in Richtung der Ortsmitte von H.. Hinter ihr folgte der Zeuge B. In der leicht abschüssigen Straße geriet die Klägerin in ein Schlagloch, wodurch sich das Vorderrad ihres Fahrrades querstellte und sich die Klägerin mit ihrem Fahrzeug überschlug. Zur Darstellung der örtlichen Situation wird auf die Lichtbilder Bl. 84 ff. d.A. und Hülle Bl. 87 ff. verwiesen.
Die Klägerin erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, ein HWS-Schleudertrauma, eine Prellung der linken Thoraxhälfte sowie Schürfwunden. Sie wurde drei Tage stationär im Krankenhaus W. und danach ambulant behandelt. Zum Ausgleich der erlittenen immateriellen Schäden hält die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 2.000 EUR für angemessen.
Weiterhin wurden die Radlerhose (37,90 EUR), der Fahrradhelm (29,90 EUR), eine Fahrradjacke (30 EUR) und - so die Behauptung der Klägerin - ein Fahrradpedal (9,99 EUR) beschädigt. Aufgrund des stationären Krankenhausaufenthaltes und der Arztbesuche musste die Klägerin 50 EUR Zuzahlungen leisten. Die Summe der vorgenannten Beträge entspricht dem unter Ziff. 2 eingeklagten Forderungsbetrag.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Die Straße sei nicht ausreichend überprüft worden. Auch seien die Schäden nicht repariert worden, obwohl diese seit längerem vorhanden gewesen seien. Der Beklagte sei der Verkehrssicherungspflicht nicht bereits mit dem Aufstellen des Warnschildes nachgekommen, da dieses Schild in zu großem Abstand vor der Unfallstelle aufgestellt worden sei. Im Berufungsrechtszug ist unstreitig, dass in einer Entfernung von 407 m vor der Unfallstelle das Gefahrenzeichen 101 (§ 40 Abs. 6 StVO) mit dem Zusatzzeichen "Straßenschäden" aufgestellt war.
Die Klägerin hat beantragt,
I. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
II. den Beklagten weiterhin zu verurteilen, an die Klägerin 157,79 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat behauptet, der fragliche Bereich werde regelmäßig zweimal in der Woche kontrolliert. Dabei hätten sich Beschädigungen, die über das bekannte Maß hinausgegangen seien, nicht gezeigt. Es handele sich um einen großflächigen, weithin sichtbaren Gefahrenbereich, der für jeden aufmerksamen Verkehrsteilnehmer ohne weiteres erkennbar sei.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Die Berufung der Klägerin wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des LG und vertritt die Auffassung das LG sei aufgrund einer falschen Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass das beklagte Land seiner Kontrollpflicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei. Aus der Aussage des Zeugen F. sei zu ersehen, dass der Zeuge am 30.8.2008 die L. straße im Bereich der Unfallstelle in entgegengesetzter Fahrtrichtung befahren habe. Das Befahren der Gegenfahrbahn reiche aber nicht aus, um eine ordnungsgemäße Kontrolle der Fahrbahn im Rahmen der obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu gewährleisten. Aus der Aussage des Zeugen kö...