Leitsatz (amtlich)
Eine Säumnis ist dann unverschuldet i.S.d. § 514 Abs. 2 ZPO, wenn ein kurzfristig vor dem Termin erkrankter Prozessbevollmächtigter dies dem Gericht mit einem ca. 3 Stunden vor der Terminstunde eingegangenen Telefax, das deutlich auf den anstehenden Termin und die Erforderlichkeit der sofortigen Vorlage hinweist, mitteilt. Weitere Maßnahmen sind nicht veranlasst, denn er darf darauf vertrauen, dass es dem zuständigen Richter bei ordentlichem gerichtsinternem Geschäftsgang noch rechtzeitig vor dem Termin vorgelegt wird.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 18.08.2014; Aktenzeichen 3 O 276/13) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.8.2014 verkündete "2. Versäumnisurteil" des LG Saarbrücken - 3 O 276/13 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG zurückverwiesen.
II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin hat mit ihrer Klage gegen den Beklagten aus einem Werkvertrag über die Durchführung von Oberbodenbelagsarbeiten im Jahre 2010/2011 restliche Werklohnansprüche i.H.v. 12.777,23 EUR geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 5.5.2014 ist die Klägerin säumig geblieben, so dass auf Antrag der Beklagten ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil ergangen ist (GA 39 f.). Hiergegen hat die Klägerin fristgerecht Einspruch eingelegt und diesen gleichzeitig begründet. Termin zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin bestimmt auf Montag, den 18.8.2014 um 11:30 Uhr.
Am Termintag ging morgens ein Telefax der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit der Bitte um Terminsaufhebung ein, die damit begründet wurde, dass der für die Terminwahrnehmung eingeteilte Rechtsanwalt G. sich kurzfristig wegen einer Magen- und Darmgrippe krankgemeldet habe und weitere Kollegen zur Terminwahrnehmung wegen anderweitiger Termine nicht in der Lage seien. Das Faxschreiben, auf dem vermerkt ist "EILT! Bitte sofort vorlegen. Termin heute um 11.30 Uhr", trägt den Sendevermerk 8.32 Uhr. Bei der zuständigen Geschäftsstelle des LG ist es um 11.36 Uhr eingegangen (vgl. GA 109). Da der zuständige Einzelrichter hiervon keine Kenntnis hatte, erging im Termin vom 18.8.2014 auf Antrag der Beklagten ein zweites Versäumnisurteil, mit dem der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 5.5.2014 - 3 O 276/13 - verworfen wurde (vgl. GA 110 ff.).
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die Aufhebung des zweiten Versäumnisurteils und die Zurückverweisung der Sache an das LG, hilfsweise die Verurteilung der Beklagten entsprechend dem Klageantrag, begehrt.
Sie macht geltend, dass ihr Prozessbevollmächtigter unverschuldet an der Wahrnehmung des Termins verhindert gewesen sei, da er in der Nacht zum 18.8.2014 an einer Magen-Darmgrippe erkrankt sei. Direkt nach Öffnung der Kanzlei um 8.00 Uhr habe er den Bürovorsteher veranlasst, aufgrund seines Gesundheitszustandes Terminverlegung zu beantragen. Dies sei mit dem Telefax vom 18.8.2014 erfolgt, das um 8:32 Uhr an das LG gesendet worden sei. Dieses habe den fett gedruckten Vermerk "Eilt! Bitte sofort vorlegen. Termin heute um 11:30 Uhr" getragen, so dass ihr Prozessbevollmächtigter darauf habe vertrauen können, dass dieses rechtzeitig vor dem Termin vorgelegt werde. Eine Terminwahrnehmung durch den weiteren mit dem Fall vertrauten Rechtsanwalt H. sei wegen eines anderen Termins nicht möglich gewesen. Die beiden nicht sachbearbeitenden Rechtsanwälte der Kanzlei seien aufgrund von vereinbarten Besprechungsterminen verhindert gewesen.
Die Klägerin beantragt (GA 120, 163), das 2. Versäumnisurteil des LG Saarbrücken vom 18.8.2014 - 3 O 276/13 - aufzuheben und den Rechtsstreit an das LG Saarbrücken zurückzuverweisen, hilfsweise unter Abänderung des 2. Versäumnisurteils vom 18.8.2014 das Versäumnisurteil vom 5.5.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.777,23 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2012 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (GA 129, 163), die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht alles ihnen Mögliche getan haben, um ihr Fernbleiben zu entschuldigen bzw. eine rechtzeitige Terminverlegung zu erreichen. Zudem wäre ihnen auch zuzumuten gewesen, einen anderen Rechtsanwalt ihrer Kanzlei mit der Terminwahrnehmung zu beauftragen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 18.2.2015 (GA 163 ff.) Bezug genommen.
B.I. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig.
1. Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil (§ 345 ZPO) ist nach § 514 Abs. 2 ZPO nur insoweit zulässig, als der Berufungskläger einen Sachverhalt behauptet, aus dem sich, falls er zutrifft, ergibt, ...