Leitsatz (amtlich)
Verpflichtet sich ein Grundstücksveräußerer zur Tragung aller Erschließungs- und Anliegerbeiträge aufgrund bereits durchgeführter Maßnahmen, so hat er den Erwerber auch dann von der Zahlungspflicht ggü. der Kommune freizustellen, wenn die Beitragserhebung wegen nachträglicher Satzungsänderung erst viele Jahre nach Vertragsschluss erfolgt. Der Veräußerer kann sich weder auf § 242 BGB berufen, noch auf den Umstand, dass gegen den Beitragsbescheid Widerspruch eingelegt wurde.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 06.07.2005; Aktenzeichen 3 O 451/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.7.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (3 O 451/04) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen Freistellungsanspruch.
Die Beklagten verkauften den Klägern mit notariellem Kaufvertrag vom 30.10.1991 (Urkunde des Notars Dr. S. Nr. ... Bl. 5 d.A.) ihr Hausanwesen in P. (Bl. 2 d.A.).
In Ziff. IV.5. des Vertrages ist folgende Vereinbarung enthalten:
"Der Veräußerer trägt alle Erschließungskosten gem. § 127 Abs. 2 BauGB und Anliegerbeiträge einschließlich der Kostenerstattungsansprüche der Gemeinde nach dem Kommunalabgabengesetz und den entsprechenden Gemeindesatzungen für Maßnahmen, die bis zum heutigen Tage ausgeführt wurden, auch wenn diese Arbeiten noch nicht in Rechnung gestellt wurden. Alle Maßnahmen, die nach dem genannten Zeitpunkt ausgeführt werden, gehen zu Lasten des Erwerbers. Vorstehende Regelung erfolgt unabhängig davon, wann diese Arbeiten in Rechnung und entsprechende Leistungsbescheide zugestellt wurden."
Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses lag ein Gebührenbescheid für Erschließungskosten bzw. Anliegerbeiträge nicht vor. Mit Bescheid der Stadt P. vom 25.6.2003 (Bescheid-Nr. ... Bl. 7 d.A.) wurden die Kläger zur Zahlung eines Kanalbaubeitrages für das Grundstück i.H.v. 7.144,50 EUR herangezogen. Ausweislich der Begründung des Bescheides basiert dieser auf einer Satzung vom 28.11.2001, die am 1.1.2002 in Kraft trat und die vom OVG des Saarlandes für nichtig erklärte Satzung vom 15.6.1990 ersetzte. Gegen den Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden ist, der jedoch keine aufschiebende Wirkung hat (Bl. 3 d.A.).
Der Straßenkanal, für dessen Herstellung der mit Bescheid vom 25.3.2003 festgesetzte Kanalbaubeitrag gefordert wird, wurde schon lange vor dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages fertig gestellt (Bl. 3 d.A.).
Die Beklagten wurden mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 12.8.2003 (Bl. 9 d.A.) aufgefordert, ihre Bereitschaft zur Übernahme des festgesetzten Kanalbaubeitrages bis zum 26.8.2003 zu erklären. Dies lehnten die Beklagten ab (Bl. 4 d.A.).
Die Kläger haben beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Kläger freizustellen von der Verpflichtung zur Zahlung von Kanalbaubeiträgen für die Grundstücke, die die Beklagten an die Kläger mit der Urkunde des Notars Dr. S. vom 30.10.1991 veräußert haben, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, die Kläger von der Zahlung von Kanalbaubeiträgen an die Stadt P. betreffend die im vorstehenden Klageantrag genannten Grundstücke freizustellen, weiter hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 7.144,50 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.8.2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Mit dem am 6.7.2005 verkündeten Urteil (Bl. 45 d.A.) hat das LG dem mit der Klage geltend gemachten Hauptantrag in vollem Umfang stattgegeben. Der Senat nimmt gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt.
Die Beklagten sind der Auffassung, "die reine Klageforderung" sei "unzulässig gem. § 242 BGB", da der Kaufvertrag - unstreitig - bereits vor mehr als 13 Jahren abgeschlossen worden sei (Bl. 77 d.A.). Der Bescheid der Stadt P. sei - ebenfalls unstreitig - erst 10 Jahre nach Hausverkauf an die neuen Eigentümer ergangen (Bl. 77 d.A.).
Das LG habe die Beweislastregelung bzw. Rechtsvorschriften fehlerhaft angewandt (Bl. 77 d.A.). Da der Kanal - unstreitig - Jahrzehnte vor dem Grundstückskaufvertrag gebaut worden sei, hätten die Verkäufer nicht, wie vom LG angenommen, Kenntnis davon gehabt, dass nach Jahrzehnten die Gemeinde Kanalbaukosten gegen die gegenwärtigen Eigentümer geltend mache (Bl. 77 d.A.). Da bei der Aufstellung der Beitragssatzung im Jahre 2002 die Beklagten seit 10 Jahren nicht mehr Eigentümer des Grundstücks gewesen seien, treffe die Kläger die Kostentragungspflicht. Ansonsten liege auf Grund unzulässiger Rechtsausübung ein Verstoß gegen § 242 BGB vor (Bl. 77 d.A.). Die Beklagten gingen mehr als 12 Jahre nach dem Hausverkauf nicht mehr davon aus, irgend welche Zahlungen an die Käufer leisten zu müssen und seien hierzu auch alters- und krankheitsbedin...