Leitsatz (amtlich)

1. Zum Anlagenbegriff des § 3 Nr. 1 EEG 2012 a. F. bei einer Photovoltaikanlage.

2. Zur Inbetriebnahme einer Photovoltaikanlage i. S. d. §3 Nr. 5 EEG 2012 a. F. und zur Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft war die Installation der Wechselrichter oder eines Transformators, die die Einspeisung des Stroms in das Betreibernetz erst erlauben, nicht erforderlich.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 48/16)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.12.2016

verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 1 O 48/16 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 55.150,48 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.02.2014 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Klägerin leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten über die Höhe der von der beklagten Netzbetreiberin zu zahlenden Einspeisevergütung für von der Klägerin in Photovoltaikanlagen erzeugten und im Jahr 2013 in das Netz der Beklagten eingespeisten Strom.

Die Klägerin betreibt am Standort W., Stadtteil B. auf dem ehemaligen Munitionsdepot Vogelsbüsch mehrere Photovoltaikanlagen. Streitgegenständlich sind die dort auf 14 Bunkern errichteten Dachflächenanlagen. Die Beklagte ist die örtlich zuständige Betreiberin des Verteilernetzes, in welches die Klägerin den mittels der Photovoltaikanlagen erzeugten Strom auf der Grundlage des Erneuerbare-Energien- Gesetzes (nachfolgend: EEG) einspeist.

Zwischen den Parteien ist streitig, auf welcher Rechtsgrundlage die Vergütungsberechnung für die Stromeinspeisung zu erfolgen hat. Konkret streiten sie darüber, wann die streitgegenständliche Dachanlage errichtet und in Betrieb genommen worden ist. Unstreitig wurde erstmals 2013 Strom in das Netz der Beklagten eingespeist, nachdem die Klägerin Ende 2012 die grasbewachsenen Betondeckenbunkerdächer mit betonierten Längsseiten mit Trapezblechen überkront und hierauf in 3 Schritten, nämlich am 27.03., 29.04. und 30.05.2013 Photovoltaikmodule mit einer Leistung von insgesamt 873,01 kWp montiert hatte.

Die Klägerin verlangt mit der Klage für im Jahr 2013 eingespeisten Strom die Zahlung der Differenzsumme zwischen der ihrer Ansicht nach auf der Grundlage einer Inbetriebnahme im März 2012 geschuldeten Vergütung in Höhe von 120.081,50 EUR netto und der von der Beklagten auf der Grundlage einer Inbetriebnahme Anfang 2013 gezahlten Vergütung in Höhe von 73.734,88 EUR netto, mithin die Zahlung von 46.346,62 EUR netto bzw. 55.152,48 EUR brutto.

Sie hat behauptet, die Photovoltaikmodule mit einer Gesamtleistung von 832,2 kWp seien bereits im März 2012 auf einer dauerhaft nutzbaren Unterkonstruktion aus imprägniertem Kantholz und Original PV-Aluminiumschienen angebracht, auf den Bunkerdächern mittels Erdnägeln dauerhaft verankert und sodann am 09.03.2012 mittels "Glühlampentest" bzw. Ampere- und Voltmessung in Betrieb gesetzt worden. Anschließend seien die Module einschließlich Unterkonstruktion wieder abgebaut und in den Bunkern eingelagert worden, zum einen um Diskussionen darüber, ob Grasdächer Dächer i. S. d. EEG sind, vorzubeugen, zum anderen weil die Lieferung der Einspeisetransformatoren und der mit dieser Konstruktion verbundene Pflegeaufwand noch nicht absehbar gewesen seien. Ende 2012 seien bei mehreren Einbrüchen in Bunker ca. 1440 der bereits am 09.03.2012 in Betrieb genommenen Module entwendet worden, die bei der Wiedererrichtung der Anlage durch neue Module ersetzt worden seien. Zudem sei die Anlage wegen der durch die Trapezblechunterkonstruktion größer gewordenen Auflagefläche durch die Installation von im Jahr 2012 bereits an anderen Standorten in Hermeskeil montierten und in Betrieb genommenen Photovoltaikmodulen um eine Gesamtleistung von 40,81 kWp erweitert worden. Wegen der Inbetriebnahme vor dem 01.04.2012 ergebe sich für das Jahr 2013 eine restliche Einspeisevergütung von 55.150,48 EUR.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 04.11.2015 - VIII ZR 244/14 - die Auffassung vertreten, dass die Photovoltaikmodule im Jahr 2012 lediglich provisorisch verlegt worden seien und daher schon keine "Anlage" im Sinne des § 3 Ziff. 1 EEG 2012 in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) darstellten. Es sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, die Südseite der Bunker mit Trapezblechdächern zu überbauen, um darauf die Photovoltaikmodule zu verlegen. Bei der im Jahr 2012 errichteten Konstruktion habe es sich um ein Provisorium gehandelt, um vorübergehend die technisch-baulichen Mindestvoraussetzungen zur erstmaligen Erzeugung von Strom zu schaffen. Hierbei handele es sich aber ...

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