Leitsatz (amtlich)
Hat sich der in Luxemburg wohnhafte Beklagte die vollstreckbare Ausfertigung eines Titels, der unter Beteiligung der ebenfalls in Luxemburg ansässigen Klägerin von einem deutschen Notar beurkundet wurde, durch eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung gegenüber dem Notar erschlichen, so ist das Gericht, in dessen Bezirk diese unerlaubte Handlung begangen wurde, für die auf § 826 BGB gestützte Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung international zuständig.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 9 O 129/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8.2.2018 - Az: 9 O 129/16 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das mit der Berufung angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 151.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrte mit vorliegender Klage zunächst, die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Vertrag des Notars Dr. J. vom 4.2.2011 - Urkundennummer XXX/XXXX - in der Fassung eines europäischen Vollstreckungstitels vom 6.2.2012 für unwirksam zu erklären, die Herausgabe des Titels und Zahlung von 76.063,95 EUR. Die Zahlungsklage hat sie später zurückgenommen und nur noch die beiden anderen Anträge weiterverfolgt.
Die Klägerin erwarb von dem Beklagten durch notariellen Kaufvertrag vom 4.2.2011 eine Eigentumswohnung in P. zum Kaufpreis von 145.000 EUR (Blatt 26 der Akten). Die Wohnung war zum damaligen Zeitpunkt mit erheblich höheren Schulden belastet. Auf Antrag der Commerzbank AG wurde die Wohnung im Jahre 2013 zwangsversteigert, nachdem der Beklagte keine Lastenfreiheit der Wohnung herbeigeführt hat.
Obwohl der Notar Dr. J. keine Fälligkeitsmitteilung an die Parteien des notariellen Kaufvertrages vom 4.2.2011 übersandt hatte, gelang es dem Beklagten sich von einer Büroangestellten des Notars Dr. J. am 6.2.2012 eine Bestätigung als europäischen Vollstreckungstitel ausstellen zu lassen (Anlage K 14 der Akten). Die Fälligkeit des Kaufpreises nach § 3 Nummer 3.2 des Kaufvertrages war zu keinem Zeitpunkt eingetreten, da dem Notar keine Löschungsunterlagen hinsichtlich aller Belastungen in Abteilung III des Grundbuches vorlagen (Mitteilung des Notars Dr. J., Blatt 51 der Akten).
Mit diesem Titel gelang es dem Beklagten ohne jede weitere Überprüfung seit Juni 2012 in die Rentenbezüge der Klägerin bei der luxemburgischen Pensionskasse wegen seines angeblichen Kaufpreiszahlungsanspruchs zu vollstrecken. Bislang hat der Beklagte dadurch 76.063,95 EUR vereinnahmt.
Der Beklagte hat die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Saarbrücken gerügt.
In der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz hat der Beklagtenvertreter die Aussetzung des Verfahrens beantragt, um zu klären, ob der Beklagte noch lebt.
Das Landgericht Saarbrücken hat durch Urteil vom 8.2.2018 - Az: 9 O 129/16 - die Zwangsvollstreckung aus dem notariellen Vertrag des Notars Dr. J. vom 4.2.2000, Urkundennummer XXX/XXXX in der Fassung des europäischen Vollstreckungstitels des Notars Dr. J. vom 6.2.2012 für unzulässig erklärt und den Beklagten verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung dieses Titels an die Klägerin herauszugeben.
Der Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt,
das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 8.2.2018 - Az: 9 O 129/16 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil. Außerdem hat sie die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Beklagtenvertreters zur Berufungseinlegung bestritten.
II. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt.
(1.) Die Berufung ist zulässig. Nachdem der Beklagtenvertreter eine Prozessvollmacht vorgelegt hat, ist von einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung zur Einlegung der Berufung im Namen des Beklagten auszugehen.
Die Prozessvollmacht des postulationsfähigen Rechtsanwalts ist Voraussetzung des wirksamen Handelns für die Partei (§ 85 Abs. 1 S. 1). Die ohne Vollmacht eingelegte Berufung ist (schwebend) unwirksam, kann aber bis zur Entscheidung über das Rechtsmittel, selbst nach Ablauf der Berufungsfrist, rückwirkend genehmigt werden, arg. §§ 89 Abs. 2, 547 Nr. 4, 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (Rimmelspacher in: MünchKomm(ZPO), 5.Aufl., § 519 Rn. 8; Wulf in: BeckOK ZPO, 30.Aufl., § 519 Rn. 10).
(2.) Das Verfahren ist auch nicht auf Antrag des Beklagtenvertreters nach den §§ 239, 246 ZPO auszusetzen. Das Gericht muss zwar bei Zweifeln eines behaupteten Aussetzungsgrundes den Sachverhalt von Amts wegen aufklären. Notfalls muss das Gericht nach Beweiserhebung (im Streng...