Leitsatz (amtlich)

Verletzungen, die sich lediglich als Verwirklichung der Gefahr fernliegender Benutzung der zu sichernden Sache darstellen, liegen außerhalb des Schutzbereiches der Verkehrssicherungspflicht.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 25.05.2004; Aktenzeichen 9 O 444/03)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 25.5.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 9 O 444/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten (hinsichtlich der Kosten) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagten leisten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.

 

Gründe

A. Der - zwischenzeitlich volljährige - Kläger nimmt die Beklagten zu 1) bis 4) als bauausführendes Unternehmen, dessen verantwortlichen Polier, dessen Bauleiter und dessen Sicherheitskraft wegen angeblicher Verkehrssicherungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der Lagerung von Kanalrohren wegen körperlicher und weiterer Schäden in Anspruch, die er am Faschingsdienstag, den 4.3.2003, gegen 19.45 Uhr auf dem Parkplatz der Textilfirma B. D., Nähe, in durch ein von der Beklagten zu 1) im Rahmen einer Baumaßnahme gelagertes und von Dritten in Bewegung gesetztes Stahlbetonrohr erlitten hat. Zum Unfallzeitpunkt war eines der auf der dort eingerichteten Baustelle gelagerten Stahlbetonrohre mit einem Gewicht von jeweils 1,85 t, einem Innendurchmesser von 800 mm und konischem Zuschnitt (vgl. die Lichtbilder, Bl. 9-21 sowie Bl. 48-52 der Beiakten 21 Js 1042/03 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken und Bl. 150-152 d.A.) auf im Einzelnen ungeklärte Art und Weise - durch Menschenhand - ins Rollen gebracht worden und hatte den in der Nähe stehenden Kläger, der - aus streitigen Gründen - versucht hatte, auf das auf ihn zurollende Rohr aufzuspringen bzw. darüber zu springen, erfasst und verletzt.

Nach klägerischer Darstellung war das fragliche Rohr - nicht unterkeilt oder sonstwie gesichert - auf einem leicht abfallenden Gelände mit befestigtem Untergrund neben dem Parkplatz gelagert gewesen und von den auf den Rohren sitzenden Zeugen G. und M. dadurch ins Rollen gebracht worden, dass diese dieses vor ihnen befindliche Rohr mit rhythmischen Beinbewegungen "aufgeschaukelt" hätten.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten seien verpflichtet gewesen, die Rohre unter den gegebenen Umständen gegen jede Form des Wegrollens, auch gegen vorsätzlich veranlasstes In-Bewegung-Setzen und äußere Krafteinwirkung, abzusichern. Dazu habe es zumindest einer Verkeilung mit Holzlatten sowie einer Einzäunung bedurft, was indessen nicht der Fall gewesen sei. Ein Mitverschulden sei ihm nicht anzulasten, da er unfreiwillig in diese Gefahrensituation geraten sei und sein Sprung auf das Rohr einen misslungenen Rettungsversuch dargestellt habe.

Nach Darstellung des Klägers hat dieser infolge des fraglichen Unfalls erhebliche Verletzungen, u.a. Beckenring-, Sitz- und Schambeinfrakturen erlitten, die einen längeren Krankenhausaufenthalt zur Folge gehabt hätten und bis heute nicht folgenlos verheilt seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift Bezug genommen (vgl. dort S. 5/6).

Der Kläger hat - erstinstanzlich - ein Schmerzensgeld von 15.000 EUR und ein - festzustellendes - Einstehen der Beklagten für alle Folgeschäden als gerechtfertigt angesehen.

Die Beklagten haben die Darstellung des Klägers zu den örtlichen Verhältnissen sowie zum Unfallhergang bestritten und die Ansicht vertreten, dass schon im Hinblick auf die formschlüssige Verbindung der tonnenschweren Rohre mit dem weichen Untergrund weiter gehende Sicherungsmaßnahmen nicht geboten und der konkrete Geschehensverlauf für sie ohnehin nicht mehr vorhersehbar gewesen sei.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 84-94 d.A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, unabhängig von einer möglichen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liege der geltend gemachte Schaden hier jedenfalls nicht in deren Schutzbereich, da er sich nicht als Verwirklichung der Gefahren darstelle, zu deren Abwendung die Verkehrssicherungspflicht bestehe. Auf ein ganz unvernünftiges, äußerst leichtfertiges Verhalten Dritter brauche sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht einzustellen. Ebenso wenig gebe es einen wirksamen Schutz gegen groben Unfug.

Im Übrigen stünde einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Klägers dessen überwiegendes Mitverschulden - darin begründet, dass dieser sich ganz bewusst und leichtfertig für einen Sprung auf das Rohr entschieden habe, obwohl es nahe gelegen habe, sich durch eine Ausweichbewegung nach hinten oder zur Seite hin vor der Gefahr in Sicherheit zu bringen - nach Ansicht...

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