Leitsatz (amtlich)
1. Überquert ein Fußgänger in dunkler Kleidung bei Nacht unter Missachtung einer Rotlicht zeigenden Fußgängerampel außerhalb der Fußgängerfurt eine innerstädtische Straße und wird er hierbei von einem Autofahrer erfasst, so tritt hinter dieses schwer wiegende Mitverschulden des Fußgängers bei der nach § 254 BGB vorzunehmenden Abwägung die einfache Betriebsgefahr des Fahrzeugs vollständig zurück.
2. Zu den (hier nicht gegebenen) Voraussetzungen, ein Obergutachten einzuholen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 25.03.2010; Aktenzeichen 2 O 203/06) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 25.3.2010 - 2 O 203/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 49.919,74 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1969 geborene Kläger die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, welcher sich am 9.8.1997 gegen 22.24 Uhr in S. in der Straße kurz hinter der Kreuzung M. Straße ereignete, auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte zu 1) befuhr am Unfalltag die P.-Straße aus der Richtung G.-Straße kommend in Richtung B. auf dem mittleren von insgesamt drei Fahrstreifen. Nach dem Passieren des Kreuzungsbereichs M. Straße/P.-Straße nutzte der Beklagte zu 1) den linken der dort befindlichen zwei Fahrstreifen. Nachdem der Beklagte zu 1) die Kreuzung bereits passiert hatte, überquerte der Kläger als Fußgänger die zweispurige Richtungsfahrbahn der P.-Straße aus Richtung des Beklagten zu 1) gesehen von rechts nach links. Er stieß hierbei mit dem vom Beklagten zu 1) geführten Fahrzeug zusammen und verletzte sich schwer:
Der Kläger erlitt eine Luxationsfraktur des rechten Ellenbogens, einen Bruch des 12. Brustwirbelkörpers sowie multiple Prellungen und Schürfwunden. Er musste operativ behandelt werden und blieb bis zum 11.8.1997 auf der Intensivstation der Klinik. Nach der Gipsabnahme am rechten Arm und der Einleitung einer krankengymnastischen Behandlung wurde eine Re-Dislokation eines der Fragmente beobachtet, weshalb der Kläger ein zweites Mal operiert werden musste. Im Zeitraum vom 15.9.1997 bis zum 7.10.1997 wurde der Kläger im Rahmen einer Anschlussheilbehandlung in den Klinken in W. behandelt. Anschließend wurde eine fast vollständige Versteifung des rechten Ellenbogengelenkes festgestellt, da es zu einer Verknöcherung beziehungsweise Spangenbildung im Bereich des Ellenbogengelenkes und der dort liegenden Muskulatur beziehungsweise der Nachbarschaft der Gelenkkapsel gekommen war. Mithilfe einer intensiven krankengymnastischen Behandlung konnte ein Teil der Beweglichkeit des Vorarmes beziehungsweise des Ellenbogens wiederhergestellt werden.
Der Kläger hat behauptet, dass der Heilungsverlauf in geringerem Umfange noch andauere, da er ständig krankengymnastische Übungen machen müsse, um seine erreichte Beweglichkeit zu erhalten. Der Kläger hat insbesondere behauptet, dass die Gefahr einer drohenden, arthrosebedingten Funktionsverschlechterung bestehe und eine Verbesserung nicht zu erwarten sei. Ständige Behandlungen und regelmäßige Übungen seien dauerhaft erforderlich, um einer weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken. Durch die verbliebenen Körperschäden und deren Dauerfolgen sei er in seiner täglichen Lebensführung nicht unerheblich beeinträchtigt.
Hinsichtlich des Unfallhergangs hat der Kläger behauptet, die Fußgängerampel habe für ihn grünes Licht gezeigt, als er die Straße überquert habe. Der Beklagte zu 1) sei bei Gelb- oder Rotlicht über die Ampel gefahren und habe sein Fahrzeug noch beschleunigt. Trotz des gut beleuchteten und sehr übersichtlichen Kreuzungsbereichs und des Umstandes, dass der Kläger bereits eine Strecke von circa 8 m vom rechten Fahrbahnrand zurückgelegt gehabt habe, als er vom Fahrzeug des Beklagten zu 1) erfasst worden sei, habe der Beklagte zu 1) auf den Kläger nicht geachtet. Er sei deutlich schneller als mit der innerörtlich maximal zulässigen Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren. Seine Anstoßgeschwindigkeit habe im Hinblick auf das Schadensbild an seinem Fahrzeug zwischen 60 und 70 km/h betragen. Der Beklagte zu 1) habe den Verkehrsunfall zumindest mitverschuldet.
Der Kläger will sich ein Mitverschulden von einem Drittel anrechnen lassen. Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage zunächst die Erstattung behaupteter materieller Schäden in Gestalt von Fahrtkosten abzgl. erfolgter Erstattungen durch die Krankenkasse. Weiterhin hat der Kläger die Beklagten auf Erstattung der Zuzahlungen für Rettungswagen, Krankenhaus, Medikamente und Therapien sowie auf Zahlung ...