Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klausel in einem Bauvertrag, die vorsieht, dass die Ausführungszeit 12 Monate beträgt und 4 Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens 4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt, beinhaltet keine den Anforderungen des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügende Leistungszeitbestimmung.
2. Eine Klausel, wonach der Verzugszins zu Lasten des Auftraggebers auf "4 % über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank" festgelegt wird, ist in Anbetracht der Regelung in Art. 229 § 7 Abs. 1 Nr. 4 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) dahin auszulegen, dass der Zinssatz der Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank (SRF-Zinssatz) gemeint ist. Eine entsprechende formularmäßige Klausel in einem durch den Auftragnehmer gestellten Bauvertrag mit einem Verbraucher ist nach § 309 Nr. 5 BGB (analog) insoweit unwirksam, als sie zu einer gegenüber § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB erhöhten Verzinsung führt.
Normenkette
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 2, §§ 288, 305c Abs. 2, § 309 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 22.09.2022; Aktenzeichen 3 O 64/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 22. September 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 3 O 64/19 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels in Ziff. 1 Satz 1 des Tenors hinsichtlich des Zinsausspruchs abgeändert und insoweit wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 186.822,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, jedoch nicht höhere Zinsen als 4 Prozentpunkte über dem Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität der Europäischen Zentralbank (SRF-Satz), aus einem Betrag von 75.000 EUR seit dem 7. März 2018, aus einem weiteren Betrag von 80.000 EUR seit dem 13. April 2018, aus einem weiteren Betrag von 20.000 EUR seit dem 29. Mai 2018, aus einem weiteren Betrag von 10.000 EUR seit dem 29. Mai 2018 und aus einem weiteren Betrag von 1.822,46 EUR seit dem 5. Dezember 2018 zu zahlen
sowie weitere 400 EUR Zug um Zug gegen Beseitigung der Beschädigung an der Haustüre der Wohnung Nr. 3 innen neben dem Griff.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention im Berufungsverfahren verursachten Kosten.
4. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis 140.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um wechselseitige Ansprüche aus Verträgen über die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern.
Mit schriftlichem Vertrag vom 22. Oktober 2015 (Anlage K1 im Anlagenband Klägerin) beauftragte der Beklagte die Klägerin mit der schlüsselfertigen Errichtung eines Mehrfamilienhauses in der O. Straße in S., das an ein bestehendes Gebäude angebaut werden sollte, zu einem Pauschalfestpreis von 1.000.000 EUR. In § 4 des Vertrags wurde festgelegt, dass die Ausführungszeit 12 Monate beträgt und 4 Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens 4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt, wobei Schlechtwettertage nicht angerechnet werden sollten. Weiter heißt es in der entsprechenden Vertragsklausel, dass behördliche Behinderungen des Baufortschritts sowie zusätzliche Aufträge und Sonderwünsche des Bauherrn ebenfalls zu einer unter Berücksichtigung der betrieblichen Belange des Generalunternehmers und der Nachunternehmer angemessenen Verlängerung der Ausführungsfrist führen. Die Baugenehmigung für das Bauvorhaben wurde am 1. März 2016 erteilt (vgl. Anlage B1 im Anlagenband Beklagter). Nach Baubeginn schlossen die Parteien am 12. April 2017 einen weiteren Vertrag über die Erweiterung des Mehrfamilienhauses. Hintergrund dessen war, dass ein ursprünglich zu erhaltendes Bestandsgebäude nunmehr abgerissen werden und das im ersten Bauabschnitt zu errichtende Gebäude um 8 Wohnungen erweitert werden sollte. In § 4 des Vertrags vom 12. April 2017 wird wortgleich zu dem ersten Vertrag festgelegt, dass die Ausführungszeit 12 Monate beträgt und 4 Wochen nach Erteilung der Genehmigung, spätestens 4 Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt. Der Bauschein für den Anbau des zweigeschossigen Gebäudes mit 8 Wohnungen wurde am 2. Januar 2017 erteilt (vgl. Anlage B2 im Anlagenband Beklagter). Im Bauverlauf wurden verschiedene Änderungen der zu erbringenden Leistungen vereinbart. Die Leistungen der Klägerin wurden durch den Beklagten am 18. September 2018 unter Vorbehalt verschiedener Mängel abgenommen (vgl. Übergabeprotokoll Abnahme Gemeinschaftseigentum, Anlage K5 im Anlagenband Klägerin). Die danach noch verbleibenden restlichen Arbeiten wurden bis zum 22. November...