Leitsatz (amtlich)
Zur Haftung des Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall (hier: Motor EA288).
Normenkette
BGB §§ 31, 826
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 19.02.2021; Aktenzeichen 12 O 72/20) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19. Februar 2021 - 12 O 72/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des behaupteten Einsatzes unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in seinem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb gemäß einer verbindlichen Bestellung vom 15. Dezember 2018 von der V. GmbH & Co. KG einen gebrauchten VW Passat 2.0 TDI (Erstzulassung am 2. Juni 2017) zum Preis von 19.980 EUR. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA288 (Abgasnorm Euro 6) ausgestattet. In der Motorsteuerungssoftware kommt ein so genanntes Thermofenster zum Einsatz, das bewirkt, dass die Abgasrückführung bei bestimmten Außentemperaturen reduziert und dadurch der Schadstoffausstoß erhöht wird. Das Fahrzeug unterliegt keinem verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA).
Der Kläger hat geltend gemacht, dass der streitgegenständliche Motor als Nachfolgemotor des im Zentrum des so genannten Dieselskandals stehenden Motors der Baureihe EA189 ebenso wie dieser über unzulässige Abschalteinrichtungen verfüge und dass die Beklagte sich die EG-Typgenehmigung für das Fahrzeug durch Manipulation des Emissionsverhaltens auf dem Prüfstand erschlichen habe.
Die Motorsteuerungssoftware sei so programmiert, dass anhand der Fahrkurven erkannt werde, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befinde, wobei in diesem Fall die Abgasreinigung so geregelt werde, dass die gesetzlichen Emissionsvorgaben, anders als im normalen Fahrbetrieb, eingehalten würden. Damit verknüpft sei eine Funktion, bei der der Wirkungsgrad des SCR-Katalysators im Prüfstandbetrieb durch Veränderungen der Einspritzmengen des beigemischten AdBlue-Harnstoffes beeinflusst werde. Die Beklagte habe zudem das On-Board-Diagnose System (OBD) bewusst so programmiert, dass bei einer Inspektion fälschlich die ordnungsgemäße Funktionsweise der Abgasrückführung angezeigt werde, was ebenfalls als unzulässige Abschalteinrichtung anzusehen sei. Verschiedene unter anderem von der Deutsche Umwelthilfe e.V. durchgeführte Fahrtests zeigten, dass mit dem Motor des Typs EA288 ausgestattete Fahrzeuge die Grenzwerte der Euro 6-Norm im Straßenbetrieb deutlich überschritten.
Auch bei dem Thermofenster handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Die Abgasreinigung funktioniere lediglich in einem Temperaturfenster von 20 bis 30 Grad Celsius optimal, bei Temperaturen von unter 17 und über 30 Grad Celsius werde sie hingegen regelmäßig ganz abgeschaltet. Einer der gesetzlichen Ausnahmetatbestände, bei deren Vorliegen der Einsatz eines Thermofensters zulässig sei, liege nicht vor.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch den Einbau und das Inverkehrbringen der mit einer manipulierten Steuerungssoftware versehenen Motoren gegen die guten Sitten verstoßen, indem sie den Käufern vorgespiegelt habe, dass das betreffende Fahrzeug die Zulassungsprüfungen ordnungsgemäß durchlaufen habe und die gesetzlichen Bestimmungen erfülle. In Wahrheit habe sie aus Gewinnstreben rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung bewusst nicht gewählt. Der Kläger behauptet, maßgeblich für seine Kaufentscheidung sei insbesondere das Interesse an dem Erwerb eines umweltverträglichen und wertstabilen Fahrzeugs gewesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt Zahlung von 16.641,08 EUR (Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung) nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangt. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die ihm durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung entstehenden Schäden zu ersetzen habe. Daneben hat der Kläger die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten beantragt sowie die Feststellung, dass der in der Hauptsache verfolgte Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrühre. Schließlich hat er die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.789,76 EUR beansprucht.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, dass der streitgegenständliche Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer so genannten Umschaltlogik, wie sie aus den Vorgängen im Zusammenhang mit dem Motor der Baureihe EA189 bekannt sei, enthalte. Zu diesem Ergebnis sei das KBA bereits 2016 nach eingehender Überprüfung gelangt. Die temperaturabhängige Abgasrückführung sei bei einer Außentemperatur von - 24 bis +...