Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung des Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall (hier: Motor EA288).

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 12.02.2021; Aktenzeichen 12 O 297/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12. Februar 2021 - 12 O 297/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb am 3. Oktober 2017 (Rechnung) gemäß einer verbindlichen Bestellung vom 18. August 2017 von der Automobile R, St. Ingbert, ein Neufahrzeug der Marke VW, Typ T6 California Coast 2.0l TDI, EUR 6, Fahrzeug-Ident-Nr. W, zum Preis von 48.850,00 EUR. Herstellerin des Fahrzeugs und des eingebauten Motors EA288 ist die Beklagte. Bei dem eingebauten Motor handelt es sich um den Nachfolgemotor des EA189 EUR 5, der Auslöser des sog. Dieselskandals war. Der Motortyp EA288 ist mit einem sog. Thermofenster ausgestattet, welches die Abgasrückführung abhängig von den Außentemperaturen durch eine Software steuert bzw. abschaltet. Daneben ist das Fahrzeug mit einem SCR-Katalysator (Selektive katalytische Reduktion) ausgestattet, der die Stickstoffemissionen durch Beimischung einer wässrigen Harnstofflösung (Ad blue) reduziert. Für den Fahrzeugtyp T6 gab es wegen einer Konformitätsabweichung, die zur Überschreitung des Euro-6-Grenzwertes für Stickoxide führt, einen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes betreffend die Baujahre 2014 bis 2017 (Nr. 007710).

Der Kläger hat geltend gemacht, dass der Motor EA288 mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei, die erkennen, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand zum Durchfahren des neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) oder im Realbetrieb befinde. Das Thermofenster bewirke, dass außerhalb eines Temperaturfensters von 20° C bis 30° C die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems sinke und die Stickoxidemissionen stiegen. Der SCR-Katalysator, der durch die Beimischung einer wässrigen Harnstofflösung (Ad blue) zu einer Reduzierung von NOx führe, werde ebenfalls durch das Thermofenster gesteuert mit der Folge, dass auf dem Prüfstand mehr Ad blue eingespritzt werde. Zusätzlich schalte die Software ab einer bestimmten Drehzahl die Abgasreinigung sowie den SCR-Katalysator ab bzw. reduziere dessen Leistung, so dass es zu einem vermehrten Stickstoffausstoß komme. Von daher sei die in seinem Fahrzeug verbaute Steuerungssoftware nicht gesetzeskonform und werde im Prinzip ebenso getäuscht wie durch die Verwendung der Kippschalterlogik mit Prüfstanderkennung im VW-Motor EA189. Im Wissen um die Wirkweise der Motorsteuerungssoftware und deren Unzulässigkeit habe die Beklagte das Fahrzeug (den Motor) entwickelt und in den Verkehr gebracht, weshalb die Voraussetzungen deren Haftung nach § 826 BGB insgesamt erfüllt seien. Er hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er um die Manipulationen gewusst hätte. Das Software-Update sei nicht geeignet, einen ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs herzustellen.

Die Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dass die in das Fahrzeug eingebaute Steuerung der Abgasrückführung keine unzulässige Abschalteinrichtung sei; die u.a. temperaturabhängige Steuerung, die von -15°C bis +42°C reiche, sei anerkanntermaßen erforderlich, um Schäden am Motor und am Abgassystem zu vermeiden und den sicheren Betrieb zu gewährleisten. Alles in allem entspreche der Motor den Vorgaben der Euro-6-Norm und lägen keine, auch nicht die vom Kläger behaupteten, unzulässigen Abschalteinrichtungen vor. Die Rückrufaktion des Kraftfahrt-Bundesamtes bezüglich der in Rede stehenden T6-Motoren sei lediglich wegen einer sog. Konformitätsabweichung im Zusammenhang mit dem Ki-Faktor erfolgt, und diese Abweichung sei an dem Fahrzeug des Klägers bereits mittels eines Software-Updates am 13. Juni 2020 beseitigt worden. Diese technische Konformitätsabweichung stelle lediglich eine Abweichung von regulatorischen Anforderungen an das Fahrzeug dar (wird ausgeführt) und gerade keine unzulässige Abschalteinrichtung.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Soweit in dem Motor ein Thermofenster eingebaut sei, fehle es, wie auch der BGH zwischenzeitlich entschieden habe, an einer die Haftung aus § 826 BGB auslösenden Schädigungsabsicht und damit an einer Sittenwidrigkeit. Von daher komme es auch nicht darauf an, ob durch das vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegebene Software-Update nach wie vor ein Thermofenster zur Anwendung komme. Konkrete Anhaltspunkte, dass in dem Nachfolgemodell des Motors EA189 Euro 5 dieselbe oder eine vergleichbare Art von Manipulationssoftware zum Einsatz komme, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Von dem Kläger hierzu in Bezug genommene Unter...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge