Leitsatz (amtlich)

Zur Haftung des Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber dem Käufer des Fahrzeugs in einem so genannten Dieselfall (hier: Motor EA288 mit NOx-Speicherkatalysator).

 

Normenkette

BGB §§ 31, 826

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 05.03.2021; Aktenzeichen 12 O 356/20)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 5. März 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 12 O 356/20 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.980 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte als Herstellerin seines Fahrzeugs auf Schadensersatz wegen der Verwendung von nach seinen Behauptungen unzulässigen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

Der Kläger erwarb am 17. Dezember 2016 bei der V. GmbH ein am 8. Dezember 2015 erstmals zugelassenes Fahrzeug der Marke VW Passat 2.0 TDI mit einer damaligen Laufleistung von 27.212 km zu einem Preis von 21.980 EUR. Das - von einem Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts nicht betroffene - Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor EA288 der Abgasnorm Euro 6 ausgestattet. Hierbei handelt es sich um den Nachfolgemotor des Dieselmotors EA189 der Abgasnorm Euro 5, der Auslöser des sog. Dieselskandals war. Bei dem Fahrzeug kommt ein NOx-Speicher-Katalysator (NSK) zum Einsatz, bei dem auf einer katalytisch beschichteten Oberfläche NOx während des Fahrbetriebs zunächst in einem Speicher eingelagert wird, was eine daran anknüpfende regelmäßige Regeneration erforderlich macht, bei der im Rahmen eines chemischen Vorgangs die eingelagerten Stickoxide größtenteils aus der Speicherstruktur entfernt und in die Komponenten Stickstoff und Kohlendioxid reduziert werden. Eine Abgasnachbehandlung in Form der Selective Catalytic Reduction (SCR) kommt bei dem Fahrzeug nicht zum Einsatz. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Mai 2020 behauptete der Kläger gegenüber der Beklagten, dass das Fahrzeug von dem sog. "Abgasskandal" betroffen sei und forderte die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs auf.

Der Kläger hat behauptet, dass in dem Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. So erkenne das Fahrzeug den Prüfstandsbetrieb auf Grund des Ausbleibens eines Lenkwinkeleinschlags und schalte dann in einen Fahrmodus, welcher den gesetzlichen Abgasgrenzwerten gerecht werde. Dies ergebe sich aus der "Entscheidungsvorlage Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288" (Anlage K5 im Anlagenband Kläger). Darüber hinaus verfüge das Fahrzeug über einen Temperatursensor, der erkenne, wenn die Umgebungstemperatur über einen der Prüfstandsanordnung vorausgehenden Zeitraum (sog. Aufwärmphase) konstant 20° C betrage. Schließlich sei die Dauer der Messung im NEFZ (ca. 20 Minuten) im Motorsteuerungsgerät als Information hinterlegt, mit der Folge, dass für diesen Zeitraum in einen Fahrmodus gewechselt werde, welcher den gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerten gerecht werde, wobei danach die NOx-Werte exorbitant ansteigen würden. Darüber hinaus sei ein sog. "Thermofenster" dergestalt eingerichtet, dass die Abgasnachbehandlung bei Temperaturen unter 17° C und über 30° C stark reduziert werde und damit deutlich mehr Stickoxide ausgeschieden würden als auf dem Rollenprüfstand. Eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerungssoftware sei gesetzeswidrig, weshalb eine Beanstandung im Rahmen der Hauptuntersuchung sowie eine behördliche Betriebsuntersagung drohen würden. Dieser Mangel des Fahrzeugs könne auch durch eine Nachbesserung nicht behoben werden, da eine solche eine Erhöhung der CO2-Werte zur Folge habe, den Kraftstoffverbrauch erhöhe, zu Leistungsverlusten führe und die Lebensdauer des Fahrzeugs verringere. Schließlich sei das On-Board-Diagnosesystem (OBD) manipuliert. Dieses sei durch die Beklagte in ihren mit Abschalteinrichtungen ausgestatteten Fahrzeugen so programmiert, dass es bei einer Inspektion fälschlicherweise melde, dass die Abgassysteme des Fahrzeugs ordnungsgemäß funktionierten. Der Kläger hat die Beklagte gestützt auf deliktische Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 21.980 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Juni 2020 abzüglich eines Nutzungswertersatzes Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Darüber hinaus hat er die Feststellung erstrebt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug befinde, und hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.348,27 EUR zu ...

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