Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherer darf sich auf eine Unterversicherung nicht berufen, wenn sein Vermittler zusammen mit dem Versicherungsnehmer das dem Vermittler bekannten Anwesen besichtigt und die Wohnflächen der einzelnen Stockwerke in den Antrag aufnimmt, dabei aber übereinstimmend vergessen wird, einen Anbau zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 26.01.2011; Aktenzeichen 12 O 202/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 26.1.2011 - 12 O 202/08 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger und seine Ehefrau I. S. weitere 3.893,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 11.3.2008 sowie weitere 2.015,38 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit dem 23.7.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.056,74 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Versicherungsleistung aus einer Wohngebäudeversicherung.
Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Hauses mit rund 120 qm selbst genutzter Wohnfläche und einem (vermieteten) Anbau von rund 80 qm.
Ursprünglich bestand eine Wohngebäudeversicherung bei der H. C. mit einer Versicherungssumme 1914 von 27.000 Mark und einer Jahresprämie von 192,86 EUR (Bl. 24d. Anlagen).
Der Versicherungsagent der Beklagten, der Zeuge W., der den Kläger und seine Ehefrau seit Jahren betreute, vermittelte ihnen eine neue Hausratversicherung ab dem 1.5.2002 bei der Beklagten, nachdem sie im Jahre 2001 das Hausanwesen gekauft und umgebaut hatten und von dem Anbau in das Haupthaus mit einer Wohnfläche von rund 120 qm gezogen waren. Er sprach dabei den Kläger und seine Ehefrau auch darauf an, mit ihrer Wohngebäudeversicherung zu der Beklagten zu wechseln. Der Zeuge W. legte dem Kläger am 31.7.2002 ein Angebot vor, welches keine Wohnflächenangaben, sondern ebenfalls den Versicherungswert 1914 von 27.000 Mark und eine Prämie i.H.v. 186,43 EUR enthielt (Bl. 331 d.A.).
Aufgrund des Antrags vom 14.8.2002 (Bl. 191 d.A.) schlossen der Kläger und seine Ehefrau eine Wohngebäudeversicherung bei der Beklagten. Der Versicherungsschein vom 11.1.2002 (Bl. 22d. Anlagen) bezeichnete das versicherte Gebäude als Zweifamilienhaus mit einer Gesamtwohnfläche von 120 qm. Er bezog die VGB 2001 Allianz Kompakt (Bl. 56d. Anlagen) ein und enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf den Unterversicherungsverzicht und dessen Voraussetzung nach § 28 VGB 2001 (Bl. 82d. Anlagen). Die Jahresprämie betrug 163,76 EUR.
Am 16.6.2007 kam es zu einem Brandschaden, der das versicherte Wohnhaus erheblich beschädigte. Die Wiederherstellungskosten betrugen nach einer sachverständigen Schätzung der Beklagten rund 177.000 EUR. Im Rahmen der Schadensabwicklung berief sich die Beklagte auf eine Unterversicherung, weil die tatsächliche Wohnfläche nicht 120 qm, sondern etwas mehr als 200 qm betrug. Der Zeuge W. formulierte dem Kläger und seiner Ehefrau ein Schreiben, mit dem sie ihn wegen der bestehenden Unterversicherung in Anspruch nehmen sollten.
Mit Schreiben vom 26.2.2008, 10.3.2008 und 18.3.2008 (Bl. 33-35d. Anlagen) forderte der Kläger die Beklagte zu weiteren Zahlungen auf. Im Schreiben vom 19.3.2008 berief sich die Beklagte auf die bestehende Unterversicherung und lehnte weitere Zahlungen zurzeit ab (Bl. 36d. Anlagen). Durch Anwaltsschreiben vom 7.4.2008 wurde die Beklagte zur Zahlung weiterer Handwerkerrechnungen gemahnt, die i.H.v. über 50.000 EUR aufgelaufen seien (Bl. 151 d.A.).
Die Beklagte erbrachte dem Kläger insgesamt Leistungen unter Berücksichtigung einer Unterversicherung von 43 %. Von den bis Mai 2008 geltend gemachten 163.470,82 EUR glich die Beklagte lediglich 93.178,37 EUR aus.
Der Kläger hat 43 % zweier Handwerkerrechnungen der Firmen H. B. über 5.704,12 EUR und Be. über 2.083,36 EUR mit seiner Klage geltend gemacht. Außerdem verlangt er seine außergerichtlichen Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 50.000 EUR sowie Zinsen.
Der Kläger hat behauptet, der Zeuge W. habe die Verhältnisse des Wohnhauses und des Anbaus gekannt und die Angaben im Versicherungsantrag stammten von ihm. Er - der Kläger - habe dem Zeugen W. nicht nur die Versicherungspolice der H. C. übergeben, sondern auch eine Berechnung von Kubatur und Wohnfläche des gesamten Hauses. Der Zeuge W. habe ihn und seine Ehefrau den Versicherungsantrag unterschreiben lassen, ohne den Inhalt mit ihnen durchzusprechen.
Nachdem der Versicherungsschein vom 11.11.2002 übersandt worden sei, habe er bemerkt, dass darin die Wohnfläche mit 120 qm ausgewiesen gewesen sei. Seine Ehefrau habe dies bei dem Zeugen W. telefonisch reklamiert, der sie aber beruhigt habe mit dem Argument, wegen der Bündelung der Versicherungen müsse die Wohnfläche genau so angegeben werden...