Leitsatz (amtlich)
1. Ist bei im Raum stehender Unfallmanipulation sowohl zum streitigen Haftungsgrund als auch zur ebenfalls streitigen Haftungshöhe eine Beweisaufnahme geboten, ist es im Blick auf die strengen Anforderungen an den Vollbeweis im Allgemeinen zweckmäßig, zunächst den Haftungsgrund zu klären.
2. Im Rahmen des § 287 ZPO ist von dem Geschädigten bei - auf der Grundlage seines bestrittenen Sachvortrags - konkret bestimmten, abgegrenzten Vorschäden und behaupteter (vollständiger) Reparatur nicht bereits auf der Darlegungsebene die Vorlage von Rechnungen oder die Darstellung der Einzelschritte der Reparatur bzw. ihrer Ausführung in Übereinstimmung mit früheren gutachterlichen Vorgaben zu verlangen.
Normenkette
BGB § 249; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 25.06.2021; Aktenzeichen 5 O 149/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das am 25.06.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Aktenzeichen 5 O 149/20) und das Verfahren aufgehoben und wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.
II. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalls.
Der Kläger hat behauptet, sein Fahrzeug BMW 335i Cabrio mit dem Kennzeichen ..., das ausschließlich von seinem Sohn gefahren werde, sei am 31.08.2020 ordnungsgemäß in der W.straße in D./S. geparkt gewesen. In den frühen Morgenstunden sei der Beklagte zu 2 mit dem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Lkw der Firma F. T. GmbH mit dem Kennzeichen ... (Anhängerkennzeichen ...) gegen das parkende Fahrzeug des Klägers gefahren. Dieser Unfall habe sich für den Kläger als unabwendbares Ereignis dargestellt. Die von der Beklagten zu 1 aufgezeigten Vorschäden seien sämtlich ordnungsgemäß und vollständig repariert worden. Vor dem Unfall habe das Fahrzeug keine Altschäden mehr aufgewiesen, andernfalls wären diese im Gutachten aufgeführt worden. Der unfallbedingte Schaden betrage insgesamt 18.494,09 EUR und setze sich zusammen aus dem im Haftpflichtschadengutachten des Sachverständigen G. festgestellten Totalschaden in Höhe von 16.725,61 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 1.743,48 EUR und einer allgemeinen Kostenpauschale von 25 EUR.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 18.464,09 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2020 zu zahlen und
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.072,77 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu 1 hat, zugleich im Wege der Streithilfe für den Beklagten zu 2 beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass der vom Kläger behauptete Unfall stattgefunden habe. Ferner hat sie den vom Kläger geschilderten Unfallhergang (mit Nichtwissen) bestritten. Es sei vielmehr von einem fingierten Unfall auszugehen, wofür insbesondere die Unfallsituation und der Umstand sprächen, dass in Bezug auf das klägerische Fahrzeug zwei Vorunfälle vom 20.04.2019 und vom 13.06.2019, jeweils mit Schäden auf der linken Fahrzeugseite, gegenüber der jeweiligen Haftpflichtversicherung geltend gemacht worden seien. Eine derartige Schadenshäufung widerspreche jeder statistischen Wahrscheinlichkeit. Ferner hat die Beklagte zu 1 den Schaden auch der Höhe nach bestritten.
Das Landgericht hat nach Parteianhörung des Klägers (Bd. I Bl. 185 f. d. A.) und des Beklagten zu 2 (Bd. I Bl. 186 f. d. A.) mit dem am 25.06.2021 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug (Bd. II Bl. 228 ff. d. A.).
Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung rügt der Kläger, das erstinstanzliche Gericht habe erstmals im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.05.2021 auf die strengen Anforderungen an die Darlegungslast und das weniger strenge Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 12.12.2019 (22 U 190/18) hingewiesen, wobei nicht ersichtlich geworden sei, ob das Landgericht der strengen oder der weniger strengen Auffassung folge. Im Termin selbst sei der Sohn des Klägers, welcher das streitgegenständliche Fahrzeug nach den jeweiligen Unfällen selbst bzw. bei einzelnen Arbeiten gemeinsam mit einem Kollegen fachgerecht repariert habe, als präsenter Zeuge benannt worden. Seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei erklärt worden, das Fahrzeug sei nach den vorangegangenen Unfällen jeweils vollständig nach den Vorgaben der - im Verfahren eingereichten und damit dem Gericht vorliegenden - Gutachten repariert worden. Das erstinstanzliche Gericht sei diesem Beweisangebot ohne Angabe von Gründen nicht nachgekommen. Das Land...