Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Verkehrssicherungspflicht bei der Anlage und Unterhaltung von Radwegen
Leitsatz (amtlich)
Der Verkehrssicherungspflichtige ist bei der Errichtung von asphaltierten Radwegen nicht gehalten, durchgehende befestigte Auslaufzonen anzulegen. Die Grenze zur Verkehrssicherungspflichtverletzung wird erst dann übeschritten, wenn das unbefestigte Bankett nicht mehr beherrschbare, eklatante Gefahren birgt, mit denen ein Radfahrer vernünftigerweise nicht rechnen kann.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom ...11.2006 - 4 O 74/06 - abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.745,77 EUR festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die beklagte Gemeinde unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz für die Folgen eines Fahrradunfalls in Anspruch.
Die Beklagte ist für einen Radweg, der entlang der Mosel zwischen B. und P. verläuft, verkehrssicherungspflichtig. Zwischen den Parteien steht im zweiten Rechtszug außer Streit, dass die Klägerin diesen Radweg am 23.7.2005 gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zeugen A.N., im Bereich einer Autobahnbrücke befuhr. Beim Versuch, eine Gruppe von Radfahrern zu überholen, musste die Klägerin nach links ausweichen und geriet hierbei über den linken Rand der Teerdecke des Radweges hinaus. An dieser Stelle befand sich eine ca. 15-20 cm hohe Kante zum umgebenden Gelände, weshalb die Klägerin stürzte und sich erhebliche Verletzungen zuzog.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass eine derart steil abfallende Kante am Rande eines Radweges eine erhebliche Unfallgefahr herauf beschwöre.
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Erstattung eines Haushaltsführungsschadens und hat hierzu vorgetragen, sie sei in ihrer Haushaltsführungstätigkeit für die Dauer von vier Wochen nach dem Unfall um wenigstens 75 %, für die nächsten vier Wochen um wenigstens 50 % und für die Zeit ab dem Monat September 2005 fortlaufend um mindestens 25 % eingeschränkt gewesen. Insgesamt begehrt die Klägerin bis zum 31.1.2006 die Erstattung eines Haushaltsführungsschadens von 4.425,65 EUR. Weiterhin begehrt die Klägerin Ausgleich unfallbedingter Fahrtkosten i.H.v. 150,40 EUR und der Zuzahlungen für krankengymnastische Behandlungen i.H.v. 73,36 EUR. Schließlich macht die Klägerin für eine unfallbedingte Stornierung einer Reise Kostenerstattung i.H.v. 412 EUR geltend.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.043,04 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten.
Im angefochtenen Urteil hat das LG der Klage unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von einem Drittel in Höhe eines Betrages von 2.745,77 EUR stattgegeben. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin getroffenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der gegen sie gerichteten Klage. Sie vertritt hierzu die Auffassung, das LG habe zu Unrecht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angenommen. Es entspreche der obergerichtlichen Rechtsprechung in einer Vielzahl von Entscheidungen, dass Radfahrer öffentliche Radwege grundsätzlich im tatsächlichen Zustand hinzunehmen hätten und nicht darauf vertrauen dürfen, dass neben dem Radweg auf gleicher Höhe Erdreich vorhanden sei. Bei Radwegen sei grundsätzlich mit Abbruchkanten - auch in einer Größenordnung von 15 bis 20 cm - zu rechnen. Überdies habe das LG den Mitverschuldenseinwand rechtsfehlerhaft gewichtet: In der gegebenen Situation des Überholens einer Gruppe von Radfahrern müsse der überholende Radfahrer eine gesteigerte Sorgfalt obwalten lassen. Das Mitverschulden der Klägerin überwiege so stark, dass eine Haftung der Beklagten vollständig ausscheiden müsse.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 10.1.2007 - 4 O 74/06 - die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und bekräftigt die Rechtsauffassung, dass der vom LG festgestellte Höhenunterschied von circa 15 bis 20 cm zwischen geteertem Radweg und unmittelbar angrenzendem Seitenstreifen nicht verkehrsgerecht sei. Auch sei der Mitverschuldenseinwand zutreffend gewürdigt. Die vorliegende Situation sei keineswegs mit derjenigen vergleichbar, dass ein Radfahrer auf einem Bürgersteig über die Bordsteinkante stürze. Der maßgebliche Unterschied liege darin, dass eine Bordsteinkante im Gegensatz zu der vorliegend zu beurteilenden Abbruchkante des Radweges ohne weiteres erkennbar sei.
Hinsichtlich der weiteren Ein...