Leitsatz (amtlich)
a) Bei Auffahrunfällen auf Bundesautobahnen setzt der gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis nicht den Nachweis voraus, dass der Auffahrende "eine gewisse Zeit" hinter dem Vordermann auf derselben Fahrspur her gefahren ist.
b) Bei einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden ist der Anscheinsbeweis erst dann entkräftet, wenn der Fahrspurwechsel erwiesenermaßen in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Auffahrunfall erfolgte.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 13.06.2008; Aktenzeichen 2 O 15/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten zu 1) und Widerklägers wird das am 13.6.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 2 O 15/08 - dahin abgeändert, dass die Berufungsbeklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Beklagten zu 1) und Widerkläger über die unter Ziff. I des Tenors des angefochtenen Urteils zuerkannten Beträge hinaus weitere 3.374 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 24.7.2007 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltkosten von 244,43 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basissatz seit dem 13.12.2007 zu zahlen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird in Höhe eines Betrages von 100 EUR als unzulässig verworfen und im Übrigen als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:
a) Berufungsverfahren
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) fallen der Klägerin und den Drittwiderbeklagten zu 63 % als Gesamtschuldner zur Last. Weitere 37 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin allein zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten haben die Klägerin und die Drittwiderbeklagten selbst zu tragen.
b) Kosten des ersten Rechtszugs
Von den Gerichtskosten tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner 64 %; die Klägerin weitere 19 % allein und die Beklagten als Gesamtschuldner 17 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten als Gesamtschuldner 17 %. Im Übrigen trägt die Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagten als Gesamtschuldner 64 % und die Klägerin weitere 19 % allein. Im Übrigen trägt der Beklagte zu 1) seine außergerichtlichen Kosten selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat die Klägerin 51 % zu tragen. Im Übrigen trägt die Beklagte zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Drittwiderbeklagten zu 1) und 2) haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Parteien machen klagend und widerklagend Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 3.7.2007 ereignet hat.
Der Drittwiderbeklagte zu 1) befuhr am Unfalltag gegen 15.00 Uhr mit dem bei der Drittwiderbeklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Klägerin und Widerbeklagten die Überholspur der A 1 von S. in Richtung R.. In Höhe der Auffahrt K. fuhr er aus Gründen, über die die Parteien streiten, auf das Heck des vor ihm fahrenden Pkw des Beklagten zu 1) auf, der von diesem gesteuert wurde und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.
Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten behaupten, der Beklagte zu 1) sei unter Verletzung der aus § 7 Abs. 5 StVO folgenden Sorgfaltspflichten mit einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h so knapp vor dem Drittwiderbeklagten zu 1) von der rechten auf die linke Fahrspur der A 1 gewechselt, dass dieser nicht mehr rechtzeitig habe anhalten oder ausweichen können. Der Beklagte zu 1) habe nach dem Unfall seine Alleinschuld eingeräumt, weshalb keine Polizei gerufen worden sei.
Die Klägerin, deren Pkw wirtschaftlichen Totalschaden erlitten hat, begehrt Ersatz ihres unter Vorlage eines Privatgutachtens mit 2.975 EUR angegebenen Fahrzeugschadens (Wiederbeschaffungswert von 3.700 EUR abzgl. Restwert von 725 EUR), den die Beklagten nur i.H.v. 2.230 EUR anerkannt haben, weil die Klägerin ein Restwertangebot über 1.470 EUR abgelehnt habe. Des Weiteren hat die Klägerin Kosten des Privatgutachtens von 714,42 EUR, An- und Abmeldekosten von 70 EUR, eine Benzinpauschale von 30 EUR und eine Auslagenpauschale von 25 EUR geltend gemacht und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3.814,42 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 31.7.2007 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 402,82 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.
Sie haben behauptet, der Beklagte zu 1) habe bei regem Verkehrsaufkommen vor ihm befindliche Fahrzeuge überholen wollen. Zu diesem Zweck sei er, nachdem er sich durch Rückschau ve...