Leitsatz (amtlich)
Die Postzustellungsurkunde erbringt den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Schreibfehler in der Bezeichnung des Zustellungsadressaten berühren die Wirksamkeit der Zustellung nicht, solange die Identität des Adressaten feststeht.
Der Gegenbeweis ist jedenfalls dann nicht geführt, wenn die Richtigkeit der Urkunde nach Würdigung aller Umstände ernsthaft in Betracht kommt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 22.05.2002; Aktenzeichen 9 O 227/01) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 22.5.2002 – 9 O 227/01 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 32.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Haftungsfreistellung und Feststellung wegen einer Vertragsverletzung in Anspruch.
Die Klageschrift wurde bei der Filiale der Deutschen Post AG in St. Ingbert durch Niederlegung zugestellt. Nachdem der Beklagte keine Verteidigungsbereitschaft erklärt hatte, hat das LG am 6.9.2001 im schriftlichen Vorverfahren antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen, das am 19.9.2001 von der Zeugin Rohe durch Niederlegung zugestellt worden ist (Bl. 24 der Akten). In beiden Postzustellungsurkunden wurde der Nachname des Beklagten fehlerhaft mit „g” (Hagan statt Hakan) und der Vorname mit „m” (Tahsim statt Tahsin) geschrieben.
Gegen das Versäumnisurteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten am 30.10.2001 Einspruch eingelegt und hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Der Beklagte hat behauptet, er habe keine Benachrichtigungen über Zustellungen erhalten; auch habe die Zustellerin nicht versucht, Ersatzzustellungen durchzuführen.
Das LG hat den Einspruch des Beklagten nach Durchführung einer Beweis-aufnahme über die Umstände der Zustellung als unzulässig verworfen und hierzu ausgeführt:
Das Versäumnisurteil sei dem Beklagten am 19.9.2001 ordnungsgemäß zugestellt worden. Die fehlerhafte Schreibweise des Namens des Beklagten führe nicht zu einem Verstoß gegen § 191 ZPO, da an der Person des Zustellungsadressaten nicht ernsthaft gezweifelt werden könne. Es sei nicht ersichtlich, dass in der Straße des Beklagten weitere Personen desselben Vor- und Nachnamens wohnten.
Soweit der Beklagte vortrage, eine Benachrichtigung über die Niederlegung des Versäumnisurteils sei nicht in den Hausbriefkasten eingeworfen worden, stehe dem der Inhalt der Postzustellungsurkunde entgegen, die vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen erbringe. Demgegenüber sei es dem Beklagten nicht gelungen, den Gegenbeweis zu führen. Selbst wenn es in der Vergangenheit zu Verwechslungen der Namensanschriften gekommen sei, bedeutete dies in Anbetracht der Aussage der Zeugin Rohe nicht, dass es hier bei Zustellung von Klageschrift und Versäumnisurteil genauso gewesen sei. Auch spreche einiges dafür, dass Fehleinwürfe zu Lasten anderer Zusteller gegangen seien. Die Aussage des Zeugen Fatih Hakan führe nicht weiter, da nicht feststehe, ob es sich bei dem von ihm im Briefkasten eines Nachbarn gefundenen Benachrichtigungszettel gerade um einen der hier in Frage stehenden Benachrichtigungsscheine gehandelt habe. Bei der Zeugin Neziha Hakan, der Ehefrau des Beklagten, könne neben einer bewussten oder unbewussten Hilfestellung zu Gunsten ihres Ehemannes nicht ausgeschlossen werden, dass die Benachrichtigungszettel – ohne Wissen der Zeugin – vom Beklagten aus dem Brief-kasten genommen worden seien. Auch sei es möglich, dass die Zettel unbemerkt neben Werbeschriften oder Ähnlichem entsorgt worden seien.
Hinsichtlich des Antrags auf Wiedereinsetzung habe der Beklagte keine weiteren Tatsachen vorgetragen, aus welchen sich trotz einer wirksamen Zustellung eine schuldlose Fristversäumung ergebe.
Hiergegen wendet sich die Berufung des Beklagten. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für die Unrichtigkeit der in der Postzustellungsurkunde bekundeten Tatsachen spreche. Im Gegensatz zur Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts habe der Zeuge Fatih Hakan bestätigt, genau den Benachrichtigungszettel über die Zustellung des Versäumnisurteils im Briefkasten des Nachbarn gefunden zu haben. Das LG habe den anerkannten Erfahrungssatz nicht beachtet, wonach ein nach seiner Arbeitsweise befragter Postbediensteter nicht zugeben könne, dass es öfters zu Fehleinwürfen gekommen sei. Auch habe das LG den im Schriftsatz vom 4.3.2003 enthaltenen Beweisantritt übergangen, den Zeugen Eyüp Hakan über die Zustände der Postzustellung in den Hausanwesen Kaiserstraße 197 und 199 zu befragen. Die Vernehmung dieses Zeugen hä...